Seltene Herzmuskelentzündung nach Corona-Impfung beunruhigt Experten nicht

Seltene Herzmuskelentzündung nach Corona-Impfung beunruhigt Experten nicht
Kardiologe Thomas Meinertz sieht eine tatsächliche Häufung von Herzmuskelentzündungen nach Corona-Impfungen noch nicht belegt.

Berichte aus Israel über einen möglichen Zusammenhang zwischen seltenen Fällen von Herzmuskelentzündung (Myokarditis) und Corona-Impfungen sind aus Sicht eines deutschen Kardiologen und Pharmakologen wenig überraschend und sollten für Geimpfte kein Grund zur Sorge sein. "Das kommt nicht unerwartet und beunruhigt mich nicht. Es geht um wenige Hundert Fälle einer Erkrankung mit meist mildem Verlauf bei insgesamt mehr als fünf Millionen Geimpften", sagt Thomas Meinertz.

Von anderen Impfungen sei bekannt, dass danach in seltenen Fällen Herzmuskelentzündungen auftreten könnten, ausgelöst durch eine überschießende Immunreaktion. Ob es sich bei den Fällen in Israel um eine solche Reaktion handelt, ist aber noch völlig offen.

Geschärfte Selbstwahrnehmung

Meinertz weist auch auf die geschärfte Selbstwahrnehmung vieler Menschen nach einer Impfung hin. "Viele Patienten haben eine Erwartungshaltung und berichten dann zum Beispiel von Herzrhythmusstörungen". Dabei handle es sich um das normale Grundrauschen, das nun bemerkt wird.

Die Erkrankung sei bei Jüngeren häufiger als bei Älteren - und einen Beleg, dass sie nun tatsächlich bei Geimpften häufiger auftritt als eigentlich zu erwarten wäre, sieht Meinertz noch nicht. Eine Myokarditis könne nur mit einer Biopsie des Herzmuskels sicher diagnostiziert werden, sagte er. Bei den meist leichten Fällen in Israel sei sie suggestiv diagnostiziert worden, zum Beispiel anhand von Beschwerden wie Brustschmerz, mit Echokardiogramm, Laborwerten, mittels MRT oder EKG. "Das EKG gibt nur einen Hinweis."

Kein Anlass für generelle Impf-Zweifel

Die Berichte seien kein Anlass, die Corona-Impfung generell in Zweifel zu ziehen, sagte der Mediziner aus dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. Aber sie stützen die derzeitige Zurückhaltung der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland, die bisher keine generelle Impfempfehlung für alle Kinder und Jugendlichen dort ausspricht. "Man muss sich bewusst sein, dass eine Impfung ein Eingriff ist."

Für den Professor spricht trotz der Myokarditis-Fälle nichts dagegen, Kinder mit Vorerkrankungen zu impfen, die im Fall einer Corona-Infektion ein erhöhtes Risiko für Covid-19-Komplikationen haben. Der Nutzen der Impfung überwiege bei diesen Patienten das Risiko einer seltenen und wenig gefährlichen Nebenwirkung.

Das Nationale Impfgremium (NIG) in Österreich empfiehlt - gemäß der Priorisierungsliste - auch die Impfung für 12-15 Jährige. Damit folgte das NIG einer Entscheidung der EU-Arzneimittelbehörde EMA, die den Impfstoff von Biontech/Pfizer ab 12 Jahren freigab. 

Israel untersuchte 275 Fälle von Myokarditis

Ein Ausschuss des israelischen Gesundheitsministeriums hält eine Verbindung zwischen der Corona-Impfung, vor allem der zweiten Dosis, mit einer Herzmuskelentzündung für wahrscheinlich. Nach Untersuchung von 275 Fällen von Myokarditis zwischen Dezember 2020 und April 2021 kam das Expertenteam zu dieser Schlussfolgerung. In Israel wurde vor allem der Impfstoff von Biontech/Pfizer eingesetzt.

148 Fälle von Myokarditis seien in zeitlicher Nähe zu Impfungen aufgetreten - davon 27 Fälle von 5,4 Millionen, die eine erste Dosis erhalten haben, und 121 Fälle von gut fünf Millionen, die eine Zweitimpfung erhalten haben. Etwa die Hälfte der Myokarditis-Patienten litten den Angaben zufolge an Vorerkrankungen.

Hauptsächlich leichte Fälle

Die Erkrankung betreffe insbesondere jüngere Männer im Alter von 16 bis 30 Jahren, vor allem im Alter von 16 bis 19 Jahren. In 95 Prozent der Fälle handle es sich aber um eine leichte Erkrankung, die binnen weniger Tage vorbeigehe. Meinertz betonte, dass solche Entzündungen meist von allein ausheilten, nur wenige Patienten behielten Leistungseinschränkungen zurück.

Im aktuellsten Sicherheitsbericht zu Covid-19-Impfstoffen des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts vom 7. Mai heißt es, auf der Basis der vorhandenen Daten aus Deutschland sei "kein Risikosignal" in Bezug auf Herzmuskelentzündungen zu sehen. Man werde Berichte darüber weiter überwachen und untersuchen. Eine PEI-Sprecherin erklärte auf Anfrage, für den bevorstehenden Sicherheitsbericht würden gerade neue Informationen verarbeitet, die von Experten der Arzneimittelsicherheit noch verifiziert würden. "Hier ist die Datenauswertung noch unvollständig."

Elf Fälle in "zeitlicher Nähe zur Impfung" in Österreich

Das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) berichtet von bisher elf Fällen von Herzmuskelentzündungen in zeitlicher Nähe zur Impfung (6 Biontech/Pfizer, 5 Astra Zeneca). Auf einen möglichen kausalen Zusammenhang wird im Bericht nicht eingegangen. 

Viele Herzmuskelentzündungen verlaufen nach PEI-Angaben symptomlos oder mit unspezifischen Symptomen. Eine Myokarditis kann aber auch lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen. Auch eine Virusinfektion kann eine Ursache sein.

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