Schmerzempfinden: Der große Einfluss unserer Annahmen
Jetzt ergab eine aktuelle Studie der Universität Duisburg-Essen (UDE): Eine negative Erwartung, was den Effekt einer Therapie betrifft, hat einen stärkeren und anhaltenderen Einfluss auf das Schmerzempfinden als eine positive Erwartung.
104 gesunde Freiwillige wurden jeweils 20 Sekunden langen Hitzereizen ausgesetzt. Eine – scheinbare – viersekündige Nervenstimulation vorab sollte die Schmerzintensität beeinflussen, wurde den Teilnehmenden gesagt (tatsächlich war sie wirkungslos).
Eine niedrige Frequenz sollte die Schmerzen lindern, eine hohe verstärken und eine dritte neutrale Frequenz nicht beeinflussen, wurde den Probanden vermittelt. Anschließend mussten sie die Intensität der Schmerzreize (Skala von 0 bis 100) bewerten.
Anschließend musste die Intensität der Schmerzreize auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet werden.
Das Ergebnis: Im Durchschnitt bewerteten die Teilnehmenden Schmerzen bei einer negativen Erwartung zum Effekt der Nervenstimulation um rund elf Prozent höher als eine neutrale Kontrollgruppe ohne Schein-Stimulation. Eine positive Erwartung hingegen verringerte die Bewertung der Schmerzintensität nur um zirka vier Punkte. Der Effekt der negativen Erwartung war also doppelt so groß wie jener der positiven.
Eine Woche später wurde das Experiment wiederholt: Wiederum war der Effekt negativer Erwartungen („Nocebo-Effekt“) doppelt so groß wie der Effekt positiver Erwartungen („Placebo-Effekt“).
Schmerzmedizin: Welche Rolle die Arzt-Patienten-Kommunikation hat
Eine Rolle spielt das aber nicht nur bei Experimenten mit Scheintherapien, sondern auch bei Behandlungen mit wirksamen Therapien: „Im Alltag konzentrieren wir uns oft darauf, positive Erwartungen zu fördern. Unsere Studie zeigt jedoch, dass es mindestens genauso wichtig ist, unbeabsichtigte negative Erwartungen zu vermeiden“, sagt Studienleiterin Ulrike Bingel, Leiterin des interdisziplinären Zentrums für Schmerzmedizin am Universitätsklinikum Essen. In Gesundheitsberufen Beschäftigte sollten sich bewusst sein, dass die Art und Weise, wie sie über Behandlungen informieren, die Reaktion der Patientinnen und Patienten darauf stark beeinflussen kann – im positiven wie im negativen Sinne.
"Menschen neigen offenbar dazu, eher mit dem Schlimmsten zu rechnen - und das spiegelt sich in der Schmerzverarbeitung wider", sagt Bingel.
Alleine die Erwartung eines Patienten, dass die Einnahme eines Medikaments seine Schmerzen lindern wird, führt in dessen Gehirn zur Ausschüttung schmerzlindernder Substanzen, körpereigener Opioide. Diese können die Weiterleitung des Schmerzreizes im Rückenmark verändern – und die Schmerzen lassen nach.
Schmerzmittel verliert durch Erwartungseffekt seine Wirksamkeit
Wie stark die Kraft des Erwartungseffektes sein kann, zeigte eine Untersuchung mit dem hochwirksamen Opioid Remifentanil: "Eine positive Behandlungserwartung hat den schmerzlindernden Effekt verdoppelt, während eine negative Erwartung, gepaart mit der Sorge, der Schmerz könnte schlimmer werden, dafür gesorgt hat, dass dieses hochwirksame Medikament seine Wirkung verlor", schreibt das Team des Forschungsverbundes Treatment Expectation.
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