Schlaganfall: Mechanische Entfernung von Gerinnseln nicht bei allen Gefäßen

Schlaganfall: Mechanische Entfernung von Gerinnseln nicht bei allen Gefäßen
Ein Herausziehen mit einem Katheter bringt bei kleineren Hirngefäßen nichts. Dort wird diese Methode in der Praxis aber ohnehin nur sehr selten angewandt.

Alle 27 Minuten kommt es - statistisch gesehen - zu einem Schlaganfall in Österreich. Rund 19.000 sind es in einem Jahr. Dank moderner Therapien können heute sechs bis sieben von zehn Patientinnen und Patienten wieder ganz gesund werden. Dazu zählen seit rund zehn Jahren auch Verfahren, Blutgerinnsel aus verschlossenen Hirngefäßen mit einem Katheter mechanisch herauszuziehen. Laut einer Aussendung des Universitätsspitals Basel „rütteln“ jetzt Forschende des Spitals mit einer neuen Studie „an der gängigen Praxis“. - „Das ist sehr unglücklich formuliert“, sagt dazu Prof. Marek Sykora, Leiter des Schlaganfallzentrums an der Abteilung für Neurologie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien. „An der Routinetherapie ändert sich gar nichts.“

Bei der häufigsten Schlaganfall-Form - mehr als 80 Prozent aller Fälle - kommt es zu einem Verschluss einer Hirnarterie. In vielen Fällen können diese Blutgerinnsel (Thromben) mit Medikamenten aufgelöst werden, verabreicht als Infusion über einen Venenzugang. Bei Verschlüssen von großen Hirnarterien (15 bis 20 Prozent aller Verschlüsse) mit dementsprechend großen Gerinnseln lassen sich diese aber nicht mehr oder nur mehr schlecht auflösen. Deshalb hat sich zusätzlich ein anderes Verfahren bewährt.

Heruasziehen des Gerinnsels mit Hilfe eines Katheters

Von der Leiste aus wird ein Katheter (Schlauch) über die Arterien bis ins Gehirn an die Stelle des Gefäßverschlusses vorgeschoben. Dort wird ein Drahtgeflecht aufgeklappt, das sich mit dem Gerinnsel verbindet. Anschließend wird beides aus dem Gefäß herausgezogen. Dieser minimalinvasive Eingriff erfordert ein hoch spezialisiertes Team und wird von interventionellen Radiologen und Neurologen gemeinsam durchgeführt.

„Das ist die effektivste Therapie, die wir in der Schlaganfallversorgung haben“, sagt Sykora. Bei Verschlüssen von großen Gehirnarterien kann zirka jeder zweite Patient nach diesem Eingriff weitgehend oder sogar ganz symptomfrei nach Hause gehen: „Vorausgesetzt, er kommt möglichst rasch nach dem Verschluss in ein Zentrum, das diese Methode rund um die Uhr anbietet.“ In Wien etwa sind das – abwechselnd – das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, das AKH und die Klinik Landstraße.

Keine Routine bei Schlaganfällen in kleineren Gefäßen

Für die kleineren Gefäße kam diese Methode routinemäßig bisher nicht zum Einsatz und wurde auch durch medizinische Leitlinien nicht empfohlen: Daten über ihren Nutzen in diesem Bereich fehlten bisher.

Drei neue Studien – darunter jene aus Basel – ergaben jetzt: Bei kleineren Gefäßen bringt diese Therapie keinen Vorteil gegenüber der medikamentösen Standardbehandlung. Die Beeinträchtigung oder Sterblichkeit im Zeitraum von 90 Tagen nach dem Schlaganfall kann dadurch nicht gesenkt werden.

„Damit wird aber nur die derzeitige Praxis bestätigt“, sagt Sykora. „Es gab nur ab und zu seltene Grenzfälle, wo wir auch bei kleineren Hirngefäßen das mechanische Verfahren eingesetzt haben – als individuellen Heilversuch, um die Prognose dieser Patienten zu verbessern. Wenn jetzt aber erwiesen ist, dass es derzeit keinen Vorteil bringt, werden wir hier noch zurückhaltender sein.“

Die Studienergebnisse seien ein Forschungsauftrag für das nächste Jahrzehnt, die Technik so weiterzuentwickeln, dass es auch bei kleineren Gefäßen Möglichkeiten der mechanischen Entfernung geben wird.

Schlaganfall-Akuttherapie: So rasch wie möglich auf eine "Stroke Unit"

Sykora betont, das Allerwichtigste in der Akuttherapie des Schlaganfalls sei ein rascher Behandlungsbeginn nach den ersten Symptomen in einer darauf spezialisierten „Stroke Unit“, einer Spezialeinrichtung zur Akutbehandlung von Schlaganfällen: „Beginnt man mit der medikamentösen bzw. mechanischen Therapie  in der ersten Stunde nach dem Auftreten der Symptome, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Risiko bleibender Schäden damit reduziert werden kann, um ein Vielfaches höher als nach fünf oder sechs Stunden.“ 

Denn auch wenn ein Gefäßverschluss nach mehreren Stunden erfolgreich geöffnet wird, sind viele Nervenzellen dahinter bereits abgestorben. „Time is brain“ – „Zeit ist Gehirn“ – lautet deshalb der wichtigste Grundsatz der Schlaganfalltherapie.

Kommentare