Chronische Schlafprobleme: Welche Folgen haben sie für das Gehirn?

Zehn Prozent der Bevölkerung sind von einer solchen chronischen Schlafstörung (Insomnie) betroffen. Gelegentliche Schlafstörungen treten bei 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung auf – bei Frauen öfter als bei Männern.
Sie haben dauerhafte Probleme beim Ein- oder Durchschlafen? Und diese Schlafstörungen treten an mindestens drei Tagen pro Woche über einen Zeitraum von drei Monaten oder sogar länger auf? Eine derartige krankhafte Schlafstörung (Insomnie) führt nicht nur zu ausgeprägter Tagesmüdigkeit und einem allgemeinen Unwohlsein: Mit zunehmendem Alter klönnte es auch zu einem schnelleren Rückgang der Gedächtnis- und Denkfähigkeiten kommen. Darauf deuten die Ergebnisse einer großen Studie hin, die jetzt im Fachmagazin Neurology erschienen ist.
Die Studie ergab, dass Menschen mit chronischer Schlaflosigkeit ein um 40 Prozent höheres Risiko hatten, eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder Demenz zu entwickeln, als Menschen ohne Schlaflosigkeit. Dies entspricht einer beschleunigten Alterung des Gehirns um 3,5 Jahre. Die Studie beweist allerdings nicht, dass Schlaflosigkeit die Alterung des Gehirns verursacht, sondern zeigt lediglich einen Zusammenhang auf.
Chronische Schlafstörungen sind ein Frühwarnzeichen
"Schlaflosigkeit wirkt sich nicht nur darauf aus, wie Sie sich am nächsten Tag fühlen, sondern kann mit der Zeit auch Ihre Gehirngesundheit beeinträchtigen", wird der Autor der Studie, Diego Z. Carvalho von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, Mitglied der American Academy of Neurology, in einer Aussendung der Akademie zitiert. "Wir beobachteten einen schnelleren Rückgang der Denkfähigkeiten und Veränderungen im Gehirn, die darauf hindeuten, dass chronische Schlaflosigkeit ein Frühwarnzeichen oder sogar ein Faktor für zukünftige kognitive Probleme sein könnte."
Für die Studie wurde der Gesundheitszustand von 2.750 Personen mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren knapp sechs Jahre lang verfolgt. 16 Prozent der Probandinnen und Probanden litten an chronischer Schlaflosigkeit.
Zu Beginn der Studie wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie in den vergangenen zwei Wochen mehr oder weniger als üblich geschlafen hatten. Jährlich wurden Tests zur Denk- und Gedächtnisleistung durchgeführt, bei einigen wurden auch bildgebende Gehirnuntersuchungen: Einerseits wurden sie dabei auf Anzeichen von Schädigungen kleiner Gehirngefäße und gleichzeitig auf das Vorhandensein von Amyloid-Plaques untersucht. Derartige Ablagerungen eines Eiweiß-Fragmentes zwischen den Nervenzellen ist eines der Hauptmerkmale der Alzheimer-Erkrankung.
Während des Studienzeitraumes erkrankten 14 Prozent der Menschen mit chronischer Schlaflosigkeit an leichten kognitiven Beeinträchtigungen oder Demenz, in der Gruppe mit gutem Schlaf waren es hingegen nur zehn Prozent.
Auch nach der Berücksichtigung von Faktoren wie Alter, Bluthochdruck, Einnahme von Schlafmitteln oder Schlafapnoe blieb es dabei: Menschen mit chronischer Schlaflosigkeit hatten ein um 40 Prozent höheres Risiko für Gedächtnisprobleme oder Demenz als Menschen ohne Schlaflosigkeit. Außerdem zeigten sie schnellere Rückgänge bei Tests, die verschiedene Denkfähigkeiten messen.
Ein weiteres Ergebnis: Personen, die zu Beginn der Studie angaben, weniger Schlaf als gewöhnlich zu bekommen, hatten mit höherer Wahrscheinlichkeit niedrigere kognitive Testergebnisse, die einem um zirka vier Jahre höheren Alter entsprachen. Bei ihnen gab es auch mehr Hinweise auf Schädigungen kleinster Blutgefäße im Gehirn und mehr Amyloid-Ablagerungen. Einen besonders starken Rückgang von Denk- und Gedächtnisleistungen zeigten Menschen mit einem ApoE4-Gen, einem bekannten Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung.
Schlafstörungen
Wer an mindestens drei Nächten pro Woche und mehr als drei Monate hindurch von Ein- und Durchschlafstörungen betroffen ist, die die Lebensqualität beeinträchtigen, hat eine Schlafstörung, die behandelt werden sollte.
Häufigkeit
Zehn Prozent der Bevölkerung sind von einer solchen chronischen Schlafstörung (Insomnie) betroffen. Gelegentliche Schlafstörungen treten bei 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung auf – bei Frauen öfter als bei Männern.
Schlafdauer
Fachgesellschaften empfehlen – als Durchschnitt – zwischen sieben und neun Stunden. Männer kommen meist mit sieben bis acht aus, Frauen benötigen im Schnitt acht bis neun Stunden.
Umgekehrt zeigte sich bei den Personen, die über mehr Schlaf als üblich berichteten, weniger Hinweise auf Beeinträchtigungen kleiner Hirngefäße bei den Gehirnscans zu Studienbeginn.
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Schlaflosigkeit das Gehirn auf verschiedene Weise beeinträchtigen kann, wobei nicht nur Amyloid-Ablagerungen, sondern auch kleine Blutgefäße, die das Gehirn mit Blut versorgen, betroffen sind", sagt Carvalho. "Dies unterstreicht die Bedeutung der Behandlung chronischer Schlaflosigkeit – nicht nur zur Verbesserung der Schlafqualität, sondern möglicherweise auch zum Schutz der Gehirngesundheit im Alter. Unsere Ergebnisse ergänzen zudem die wachsende Zahl von Belegen dafür, dass es beim Schlaf nicht nur um Erholung geht, sondern auch um die Widerstandsfähigkeit des Gehirns."
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