Robin Hood sucht seine Mitte

Definiert Bogenschießen neu: Heinz P. Binder, Gesundheitswissenschaftler, Psychotherapeut, Philosoph
Traditionelles Meditatives Bogenschießen: Weshalb es dabei nicht um Leistung, sondern um einen selbst geht.

Heinz P. Binder zieht einen Pfeil aus dem Köcher, nockt ihn im selbst gebauten Eibenbogen ein, spannt vor. Dann hebt er den Blick und den Bogen, zieht die Sehne seitlich zur rechten Wange – und lässt los. Tock! Einen Wimpernschlag später trifft der Pfeil die Strohscheibe nahezu mittig. Es liegt eine unfassbar spielerische Geschmeidigkeit in den Bewegungen Binders. Kein Zögern, keine Unentschlossenheit, nur ein kurzes Innehalten, bevor er den Pfeil auf den Weg schickt. Ein Meisterschütze.

Robin Hood sucht seine Mitte

"Die Kunst ist es, nicht das Ziel, die Mitte, zu treffen, sondern in sich die Mitte zu finden und mittig zu werden“, sagt Heinz Binder.

Dennoch geht es dem Grazer Gesundheitswissenschaftler und Psychotherapeuten nicht um das schnelle, hochpräzise Bogenschießen, wie es Sportschützen praktizieren. Das ist wohl auch eine Kunst, doch Binder visiert mit dem Bogenschießen ein anderes Ziel an.

"Es geht nicht darum, Leistung zu erbringen, sondern die Ruhe in sich zu finden und gestärkt aus ihr hervorzugehen“, sagt Binder und hat mit dem Traditionellen Meditativen Bogenschießen (TMB) ein Selbsterfahrungskonzept entwickelt, das Elemente des Bogenschießens aus Asien und Europa vereint.

Das wird nun im Rahmen eines ebenfalls in Österreich völlig neuartigen Bogenparcours erstmals im Hotel & Spa Der Steirerhof Bad Waltersdorf angeboten.

Robin Hood sucht seine Mitte

Am Bogen-Parcours im "Der Steirerhof" wird auf „sinn-volle“ Objekte gezielt: Zylinder, Kreise, Mandalas, Yin- und Yang-Zeichen, Kompassnadeln.

Wildschweine, Rehe, Hasen, Hirsche – in Bogenparcours meist aus Styropor – sucht man hier vergebens. "Das widerspricht unserem Konzept des Meditativen Bogenschießens. Wir nehmen bewusst Abstand von Jagd- und Wettkampfgedanken. Uns ist wichtig, dass man die Kunst beherrscht, bei sich selbst anzukommen“, sagt die Gastgeberin im Steirerhof, Gunda Unterweger. Stattdessen hat Olivia Neubauer-Schröfl, Künstlerin und Erziehungswissenschaftlerin, "sinn-volle“ Objekte kreiert: Zylinder, Kreise, Mandalas, Yin- und Yang-Zeichen, Kompassnadeln.

„Jede Scheibe hat etwas mit der intuitiven Haltung zum Leben, mit der eigenen Seele zu tun. Der Bogenschütze kann sie individuell interpretieren“, sagt die Künstlerin. Welch kreativer Parcours. Er erstreckt sich großzügig auf Grünflächen rund um den Steirerhof, führt auch in den angrenzenden Wald und wird sukzessive weiter wachsen.

Robin Hood sucht seine Mitte

Bogenschießen als erlebnisorientierter Selbsterfahrungsprozess, bei dem Innerlichkeit und Aufmerksamkeit verflochten sind.

Sich mit Pfeil und Bogen ausrichten. Ruhig in Geist und Körper werden. Sich annehmen, wie man ist. Still und weit werden, statisch und dynamisch zugleich. Die Mitte bin ich. Ich bin.“

von Dr. Heinz P. Binder

Psychotherapeut, Philosoph

Wachstum

Auch darum geht es beim TMB, nämlich um das eigene, innere, seelische Wachstum, um Ausgeglichenheit. "Die Kunst ist es, nicht das Ziel, die Mitte, zu treffen, sondern in sich die Mitte zu finden und mittig zu werden“, sagt Heinz Binder. Haltung einnehmen, spannen, fokussieren, aber auch loslassen können – Bogenschießen als Metapher für das Leben, das eigene Gestalten?

"Es geht darum, sich selbst mit allen Sinnen zu erleben, sich anzunehmen, einen guten Umgang mit sich zu finden – beim Bogenschießen in der Natur, um dabei zu erkennen, dass man durch eigenes Tun das psychische und körperliche Wohlbefinden beeinflussen kann.“ Wesentlich dafür: Entschleunigung. Leistung ist nebensächlich, Fehler ebenso, falls man mal über das Ziel hinausschießt.

Wesentlich beim Bogenschießen: Besinnung und Innenschau. In Asien wird das in Form des Zen-Bogenschießens immer schon praktiziert. Binder greift mit seinem Konzept teilweise auf diese Tradition zurück, die er viele Jahre in Nepal selbst studiert hat.

"Für die Nepali ist rituelles Bogenschießen ein Weg der Verinnerlichung, wo die Praxis zu kontemplativem Tiefengeschehen führt, fußend auf der Überzeugung der Balance von Himmel, Mensch und Erde.“

Robin Hood sucht seine Mitte

Heinz P. Binder (li.) und Hans Toberer, seit 25 Jahren Sportwart und -animateur, unterwegs auf dem neuen Bogen-Parcour

Viele Erfahrungen aus der Zeit in Nepal fließen in Binders Konzept und damit in den Parcours ein. Besondere Bedeutung hat dabei der Bogen.

"Er gibt Festigkeit, Stabilität, innere Stärke. Ich kann mich auf ihn stützen, wenn ich ihn brauche. Mit dem Bogen habe ich ein Werkzeug in der Hand, das mich daran erinnert: Finde deinen Halt!“, sagt Binder und bringt ihn auch als Instrument in das Bogen-Qigong ein. Mit diesem in Händen werden Übungen praktiziert, um sich zu zentrieren. "Der Bogen führt das Chi und stärkt meine Mitte“.

Robin Hood sucht seine Mitte

Bogenprofi Heinz P. Binder vor dem Natur-Dojo

Der optimale Ort dafür ist das Natur-Dojo im Parcours, davor das "Tor des Himmels“ mit drei großen Strohscheiben. Hier wird Bogen-Qigong zur Einstimmung auf den Parcours zelebriert. Macht Sinn, "denn erst, wenn man bei sich ist“, so der Lehrer, "kann ich den Pfeil gut werfen“.

Eine hübsche Verniedlichung für den Pfeil, den Binder demonstrativ abschießt. Der geht ab wie eine Rakete – mitten ins Herz des Universums.

 

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