Puzzeln: Wie man bei Kindern die Lust fürs Legespiel entfacht

Der Name ist Programm: Das Wort "Puzzle" kommt aus dem Englischen und bedeutet Rätsel.
Die Finger gleiten über die Kanten des gestanzten Teilchens. Der Blick wandert suchend über den Haufen aus bunten Pappstücken und zurück zum halbfertigen Katzenbild. "Was könnte da passen?", sagt die Dreijährige grübelnd – halb zu sich selbst, halb zur Mama, die das Puzzlespiel begleitet.
Puzzles gelten als beliebte Familienspiele. Vorläufer der heutigen Exemplare gab es bereits im alten China und antiken Griechenland. Erstmals zu Geld machte das Legespiel der englische Kupferstecher und Kartenhändler John Spilsbury im 18. Jahrhundert. Er klebte Karten von England auf Holzplatten und zersägte sie entlang der Grenzen der Grafschaften. Kinder sollten die Karten wieder zusammensetzen und so etwas über Geografie lernen.
Kleinteiliges Lernfeld
Dass Puzzeln im Kindesalter wichtige Denkprozesse fördert, ist inzwischen wissenschaftlich bewiesen. "Es ist eine wunderbare Methode, um die Kognition in positiver Weise zu beeinflussen", weiß Natalie Chisté, Klinische- und Gesundheitspsychologin, die schwerpunktmäßig mit Kindern und Jugendlichen arbeitet.
Die Effekte seien vielfältig: "Es fordert Kombinationsgeschick, logisches und problemlösendes Denken, Erinnerungsvermögen, Kurzzeitgedächtnis, Frustrationstoleranz und Konzentration. Letzteres ist erfüllt davon, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, die Aufmerksamkeit auf visuelle Details zu lenken und Störreize auszublenden. Beim Puzzeln muss man sehr bei der Sache sein."
Eine Besonderheit des Denkspiels sei, dass es die Motivation, etwas aus eigenem Antrieb zu lösen, stimuliere. Chisté: "In Summe bietet ein Puzzle ein Feld für viele Lernaufgaben, die sich auch im Schulkontext finden."
Kerben, Rundungen, Ecken – glatt-glänzende oder angeraute Oberflächen: Die Haptik ist ein wesentliches Element des Spielerlebnisses – die Feinmotorik profitiert. Auch die Fantasie wird angeregt: "Meist sind Themengebiete abgedruckt, die Kinder bei ihren Interessen abholen."
Eher neu im Puzzle-Sektor sind 3D-Puzzles oder Fotopuzzles. Letztere kann man mit individuellen Bildvorlagen im Internet erstellen. Der persönliche Bezug zum Motiv könne den Spaß am Spiel steigern, meint Chisté. Puzzles gibt es längst auch digital. Der Moment des Angreifens und das sinnliche Erleben fallen dabei weg: "Digitale Tätigkeiten fördern andere feinmotorische Aspekte", meint die Expertin.
"Das Angreifen ist aber im Kleinkindalter sehr wichtig, weil viele weitere Entwicklungsschritte an dieses Erleben gebunden sind." Je jünger das Kind, desto eher sollte auf die Bildschirmzeit verzichtet werden.
Aufschwung
In der Pandemie erlebten Puzzles bei Jung und Alt einen Boom. Laut Spielehersteller Ravensburger, einem der wichtigsten Puzzle-Player am europäischen Markt, hält dieser an. Zwar ging der Umsatz zuletzt zurück, lag aber immer noch deutlich über dem Niveau vor der Corona-Krise.
Lernkurve
Anlässlich des Welt-Puzzle-Tages 2025 lancierte Ravensburger die aufbauende Lernpuzzle-Reihe „Puzzle UP!“. Die Anzahl der Teile und die Themen sind der jeweiligen Altersstufe angepasst, sodass Kinder ihr Können laufend steigern können.
Lust am Spiel stützen
Eltern greifen oft ins Geschehen ein, wenn das Kind nicht vorankommt. Ein Vorwegnehmen sei nicht ideal, sagt Chisté. "Wenn ein Kind etwas schon gut kann und der nächste Schritt einer ist, der es fordert, entsteht ein Spannungsfeld, in dem es am meisten lernt." Hilfestellungen seien sinnvoll, wenn sie zum Nachdenken anregen. "Man kann fragen 'Welche Details und Farben erkennst du?', 'Ist das ein Mittel- oder Randstück?'."
Damit sich Spielfreude und -kultur entwickeln können, müssen Kinder beim Spielen begleitet werden. Dabei sollte die Atmosphäre angenehm sein. "Druck, Stress, Angst oder Beschämung haben hier nichts verloren. Es geht um positive Interaktionen, Bestärken, Gemütlichkeit und darum, sich gemeinsam am Erfolg zu freuen."
Davon, Puzzeln als Strafe einzusetzen, etwa, wenn ein Kind stört, rät Chisté ab. "Man kann es verwenden, um Kinder zu beruhigen – in liebevoller Art und Weise."
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