Risiken
Es gebe zwar gewisse Möglichkeit auszuweichen, und Zeitlinger glaubt auch nicht, dass es schon soweit ist, dass jemand, der eine Antibiotikum oder ein Schmerzmittel braucht, keines bekommt. "Aber es ist mühsamer geworden, deutlich mühsamer. Viele Patienten müssen gerade bei einem Infekt oder unter Schmerzen zusätzliche Wege oder Verzögerungen in Kauf nehmen, was sehr unangenehm ist."
Müsse man dann doch auf ein anderes Schmerzmittel ausweichen, berge das gewisse Risiken. "Wenn man schon lange dasselbe Medikament nimmt, weiß man, in welcher Dosierung man es braucht und gut verträgt. Ein anderes ist da vielleicht weniger effektiv oder bringt unangenehme Nebenwirkungen mit sich."
Abhängigkeit
Die Situation sei sehr schwer zu beheben, sagt der Pharmakologe. Europa habe sich in eine über viele Jahrzehnte entwickelte Abhängigkeit von Medikamentenherstellern in China und vor allem Indien begeben.
Zeitlinger erklärt: "Es ist leider so, dass viele Präparate, die alle unterschiedlich heißen, in Wirklichkeit alle aus derselben Fabrik kommen. Das heißt, hier geht es tatsächlich um einen Wirkstoffmangel und nicht um den Mangel an einem Präparat. Fakt ist, dass wir in Europa die Möglichkeit verloren haben, hier kurzfristig und fast auch mittelfristig, rasch aufzurüsten. Zu sagen, dieses Medikament fehlt uns, da produzieren wir jetzt einfach selber mehr. Das können wir nicht, weil bei vielen Medikamenten die Fabriken gar nicht mehr in Europa stehen. Damit sind wir sehr stark abhängig von dem, was importiert werden kann. Das ist ja auch in vielen anderen Bereichen so, bei den Medikamenten fällt uns das nur viel stärker auf den Kopf."
Man könne Firmen nicht vorwerfen, dass sie dort produzieren, wo es für sie am günstigsten ist und wo sie ihre Marge maximieren können. Es müsse - mit Push- und Pull-Anreizen - seitens der Politik regulativ stark eingegriffen werden, damit zumindest ein gewisser Teil der essenziellen Medikamente in Europa produziert wird. "Ein Anreiz wäre beispielsweise, einer Firma, die ein wichtiges Medikament in Europa produziert, dafür einen längeren Patentschutz für ein anderes Medikament zu geben. Das ist natürlich ein Kuhhandel und politisch sehr heikel. Der Patentschutz geht ja dann wieder zu Lasten anderer Ländern, die sich das Medikament dann eventuell nicht leisten können." Dennoch werde man um Kompromisse nicht herumkommen.
Ratschläge
Auch an besorgte Patienten richtet der Pharmakologe einen Appell: "Bitte bestellen Sie nicht im Internet, Sie haben hier einfach keine Garantie, die richtigen Medikamente zu bekommen." Man solle sich auch nicht im Ausland eindecken. Jenen mit einer Dauermedikation gibt er den Tipp, langfristig zu planen und mit ausreichend Vorlauf die nächste Packung zu holen. "Das soll aber kein Aufruf zum Hamstern sein“, sagt Zeitlinger, „dann haben wir noch ein viel größeres Problem, weil es dann anderen Patienten fehlt.“
Es könne auch nicht die Lösung sein, sich trotz Bedarf mit weniger Schmerzmitteln durchzubeißen – „das ist inakzeptabel.“ Denn oft gebe es die Medikamente sehr wohl – nur eben als Generikum. „Vertrauen Sie hier Ihrem Arzt, vertrauen Sie der Zulassungsbehörde.“ Generika seien ganz genau so wirksam wie die Markenprodukte, es bestehe kein Grund zur Sorge.
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