Arzt warnt: "Wir essen zu viel Omega-6"

Auswahl gesunder Fettquellen.
Wer sich mit gesunder Ernährung beschäftigt, kennt die Begriffe: Omega-3 und Omega-6. Was genau verbirgt sich dahinter – und warum ist nicht nur die Menge, sondern vor allem das Verhältnis der Fettsäuren im Körper entscheidend?

Sowohl Omega-3 als auch Omega-6 gehören zur Familie der mehrfach ungesättigten Fettsäuren und sind essenziell. Das heißt, der Körper kann sie nicht selbst herstellen, sondern muss sie über die Nahrung aufnehmen. "Die Fettsäuren sind zum Beispiel wichtig für den Zellaufbau, für eine gesunde Gehirnfunktion und die Regulierung von Entzündungsprozessen im Körper", erklärt Matthias Riedl, Ernährungsmediziner und ärztlicher Leiter des Medicum Hamburg.

Richtiges Verhältnis entscheidend

Beide sind also wichtig für unsere Gesundheit – wirken im Körper jedoch ganz unterschiedlich. Genau deshalb ist das richtige Verhältnis bei der Ernährung so entscheidend. "Der moderne westliche Speiseplan enthält generell zu viel Omega-6 und zu wenig Omega-3", sagt Riedl. 

Ein ausgewogenes Verhältnis sei aber wichtig, weil die beiden Fettsäuren nur dann positive Effekte auf die Gesundheit haben können.

Omega-3 und Omega-6: Das sind die Unterschiede

Auch wenn sich die beiden Fettsäuren biochemisch nur geringfügig unterscheiden (eine Doppelbindung sitzt ein paar Atome weiter, das Fettmolekül reagiert anders), entfalten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren im Körper ganz unterschiedliche Effekte.

Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend, unterstützen die Herzgesundheit, das Gehirn und die Augen und sind besonders in fettem Seefisch, Leinsamen, Walnüssen oder Algenöl enthalten. Studien zeigen, dass ein hoher Omega-3-Spiegel mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden ist. Zudem gelten sie als hilfreich bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, rheumatischen Beschwerden oder entzündlichen Darmleiden wie Morbus Crohn.

Omega-6-Fettsäuren finden sich dagegen vor allem in Sonnenblumenöl, Maiskeimöl oder Sojaöl – und damit auch in vielen industriell verarbeiteten Lebensmitteln. Sie fördern in höheren Mengen Entzündungsprozesse, sind in Maßen aber wichtig, etwa für das Wachstum, die Zellstruktur, das Immunsystem, die Wundheilung und zur Senkung des Cholesterinspiegels.

Sparsam mit Sonnenblumen-, Maiskeim- oder Sojaöl umgehen

"Es gibt hier keine überlegene Fettsäure. Beide haben ihre Berechtigung und ihren Nutzen. Ausschlaggebend ist, dass keine aus dem Gleichgewicht gerät", betont Riedl. Und genau hier liegt das Problem: Omega-3-reiche Lebensmittel wie fetter Seefisch landen in vielen Teilen der westlichen Welt deutlich seltener auf dem Teller als Butter, Wurstwaren oder verarbeitete Lebensmittel, die mit Omega-6-reichen Pflanzenölen versetzt oder zubereitet sind.

Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfehlen deswegen ein Verhältnis von 1:1 bis 5:1. Das heißt, auf einen Teil Omega-3-Fettsäuren sollten maximal fünf Teile Omega-6-Fettsäuren kommen. Klingt machbar? In der Realität liegt das Verhältnis in der westlichen Welt eher bei 15:1 oder höher. Das kann chronische Entzündungen begünstigen und damit das Risiko für Herzkrankheiten, Diabetes oder Autoimmunerkrankungen erhöhen.

Um das Verhältnis der Fettsäuren im Körper ins Gleichgewicht zu bringen, empfiehlt Riedl den Konsum von Omega-6-reichen Ölen, wie Sonnenblumen-, Maiskeim- oder Sojaöl sowie stark verarbeiteten Lebensmitteln deutlich zu reduzieren. Denn sie sorgen dafür, dass das empfindliche Gleichgewicht gestört wird und die entzündungsfördernden Wirkungen überwiegen.

Gleichzeitig sollte man gezielt mehr Omega-3 in den Speiseplan integrieren, zum Beispiel in Form von fettreichem Fisch wie Lachs, Hering, Makrele, Sardinen oder Thunfisch. Sie sollten idealerweise zwei- bis dreimal pro Woche auf dem Speiseplan stehen.

Pflanzliche Alternativen

Wer auf Fisch verzichtet, kann auf pflanzliche Alternativen wie Algen- oder Hanföl zurückgreifen. "Beide eignen sich hervorragend als Basis für Salatdressings oder selbstgemachte Pestos", schildert Riedl. Auch Lein- und Walnussöl sind gute Quellen. Man sollte sie jedoch nicht erhitzen, da die wertvollen Fettsäuren hitzeempfindlich sind. Eine praktische Ergänzungsmöglichkeit seien auch Fischöl- oder vegane Algenölkapseln.

Fehlen dem Körper über einen längeren Zeitraum Omega-3-Fettsäuren, merkt man das etwa an trockener Haut, Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen, Gelenkbeschwerden oder einem geschwächten Immunsystem. Ein Mangel an Omega-6 ist deutlich seltener, zeigt sich aber zum Beispiel in Form von verzögerter Wundheilung oder Hautproblemen.

Omega-3 kann das Risiko für Blutungen erhöhen

Doch auch wenn Omega-3-Fettsäuren viele gesundheitliche Vorteile haben, sind sie als Supplement nicht für alle gleichermaßen geeignet. "Wer blutverdünnende Medikamente wie Marcumar oder ASS einnimmt, sollte Omega-3-Präparate nur in Rücksprache mit ärztlichem Fachpersonal einnehmen", warnt Riedl.

Denn Omega-3 wirkt ebenfalls blutverdünnend und kann das Risiko für Blutungen erhöhen. Auch mit blutdrucksenkenden Medikamenten kann es zu Wechselwirkungen kommen. Mögliche Nebenwirkungen bei hoher Dosierung sind Verdauungsbeschwerden oder "fischiges" Aufstoßen.

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