"1,7 Millionen Menschen in Österreich haben Hörprobleme"

„Im Schnitt dauert es fünf bis zehn Jahre, bis sich jemand nach einem Hörsturz zu einer Versorgung traut. In dieser Zeit ist viel im Kopf und im Gehör passiert“, erklärt Harald Tamegger, vom Österreichischen Schwerhörigenbund (ÖSB).
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„Schätzungen zufolge leben rund 1,7 Millionen Menschen in Österreich mit Hörschwierigkeiten.“ Doch nur ca. 40 Prozent derer, die ein Hörproblem haben, seien versorgt. Vielen sei nicht bewusst, dass Folgeprobleme wie Kopfschmerzen oder Tinnitus damit zusammenhängen. „Wenn man schlecht sieht, geht man zum Optiker. Tut man das nicht, wird es umso anstrengender für das Gehirn. Beim Hören ist es ähnlich. Ein Hörsystem kann wie eine Brille viel kompensieren“, erklärt Tamegger. Etliche Studien sehen inzwischen sogar einen Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und dem Risiko für Demenz.
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"Man bekommt nichts mit"
Weltweit zeigen Untersuchungen, dass Hörstörungen generell zunehmen – teilweise selbst verschuldet durch Lärm und mangelnden Gehörschutz. „Wenn Sie eine unbehandelte Hörstörung haben, nehmen Sie sich selbst aus der Kommunikation mit ihrem Umfeld heraus. Man ist mittendrin und bekommt nichts mit. Bevor die Leute etwas unternehmen, ziehen sich die Menschen zurück“, sagt Tamegger und verweist auf die Anlaufstellen des ÖSB, die nicht nur bei der Versorgung mit einem passenden Hörsystem beraten, sondern Betroffenen auch durch den Förderdschungel helfen.
Schwerhörigkeit
Anders als Gehörlose haben Schwerhörige von Geburt an Höreinschränkungen oder haben diese im Laufe des Lebens bekommen. Mithilfe von Hörsystemen können sie hören
1.800 Beratungen werden jedes Jahr alleine in Wien beim Verein Vox durchgeführt. Schätzungen zufolge haben rund 376.000 Menschen in Wien eine Hörstörung
Infos: www.vox.or.at
Anlaufstellen
Eine Übersicht über regionale Vereine, Selbsthilfegruppen, und Informationsbroschüren: www.oesb-dachverband.at
Doch dazu müssen Betroffene zuerst einmal einsehen, dass sie ein Hörproblem haben. „Meist kommen sie auf Druck der Verwandten, die das nicht mehr aushalten. Da reicht es, zu einem Hörakustiker zu gehen und dann sieht man es schwarz auf weiß.“ Bevor man sich für ein System entscheidet, rät Tamegger aber unbedingt dazu, sich ausführlich beraten zu lassen. „Da können Kosten entstehen, die nicht von der öffentlichen Hand getragen werden. Wir kümmern uns um die Individualförderung und versuchen Hilfe zu bekommen, wo es Hilfe gibt.“
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Die Hemmschwelle, ein Hörgerät zu tragen, sei in den vergangenen Jahren gesunken: „Mir fällt auf der Straße bei jedem Dritten ein Hörgerät auf – der Ohrstöpsel beim Handy ist ja heutzutage auffälliger als ein Hörsystem“, scherzt Tamegger. „Das war lange Zeit ein Tabuthema und keiner wollte das Hörgerät tragen. Früher war es ein Thema für Alte, heute helfen wir allen Altersgruppen von Kleinkindern bis zu Senioren.“
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