Neandertaler: Frühes Abstillen könnte zum Aussterben beigetragen haben

Neandertaler: Frühes Abstillen könnte zum Aussterben beigetragen haben
Ein deutsches Forscherteam fand heraus, dass der Zeitpunkt des Abstillens das Überleben des modernen Menschen beeinflusst haben könnte.

Die Frage, warum die Neandertaler ausstarben, beschäftigt die Wissenschaft seit langer Zeit: Waren es genetische Voraussetzungen, die unsere Vorfahren gegenüber dem Homo sapiens benachteiligten? Oder spielten Umwelteinflüsse eine gewichtigere Rolle? Manche Erklärungsansätze rücken etwa die Ernährung ins Zentrum, andere meinen, Stress könnte eine Rolle gespielt haben.

Zuletzt hatten jüngere Forschungen den Stress-Ansatz zunehmend in Frage gestellt. Laut dieser hätten die harten ökonomischen Bedingungen der Neandertaler  möglicherweise zum Ausstrerben beigetragen.

Ein Forschungsteam der Universität Tübingen verfolgen in einer aktuellen Studie einen anderen Ansatz. Die Forscherinnen nehmen an, dass die Kinder der Altsteinzeit durch das Abstillen vermehrt Stress ausgesetzt waren, weil ein steigender Energiebedarf im Wachstum mit dem steigenden Risiko von Mangelernährung zusammentraf. 

„Möglicherweise gewannen die modernen Menschen gegenüber den Neandertalern dadurch Vorteile, dass sie ihre Kinder in dieser schwierigen Phase besser unterstützten, etwa dadurch, dass die Kinder länger beschützt und besser mit Nahrung versorgt wurden“, wird Sireen El Zaatari, eine der Hauptautorinnen, in einer Aussendung der Universität zitiert.

Bisher größte Stichprobe wurde verwendet

Sie nutzten in einer großen Stichprobe von vorhandenen Neandertaler- und Jungpalontikergebnissen den Zustand des Zahnschmelzes. Dieser gelte als Indikator für Wachstumsstörungen und Stress im frühen Leben, schreiben die Hauptautorinnen Laura Sophia Limmer und Sireen El Zataari in ihrer Untersuchung. Diese wurde im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht. Es handle sich um die größte Stichprobe, die bisher auf diese Merkmale untersucht worden war.

423 Neandertaler-Zähne und 444 Zähne von Menschen des Jungpaläolithikums schlossen die Archäologinnen in ihre Forschung ein. Sie stellten fest, dass die beiden Menschenarten ihre Babys unterschiedlich betreuten. 

Ernährung sichert die Entwicklung

Die Ernährung von Neugeborenen ist ausschlaggebend für ihre Entwicklung – und für ihr Überleben. Das war schon bei den Urmenschen so, die ihre Babys mit Muttermilch ernährten. Lange seien Forscher der Meinung gewesen, dass Neandertaler ihre Babys erst spät abstillten. Neuere Daten machten jedoch deutlich, dass bereits im Alter von fünf bis sedchs Monaten mit dem Zufüttern anderer Nahrung begonnen wurde, zitiert ORF Science die Autorinnen. 

Die Analyse des Zahnschmelzes von Milchzähnen zeigt jedenfalls auch nach Millionen von Jahren, wenn das Wachstum unterbrochen worden ist. "Unsere Ergebnisse belegen, dass beide Gruppen ein ähnliches Gesamtstressniveau aufweisen, zeigen jedoch artspezifische Muster in der Verteilung der Entwicklung auf", schreiben die beiden in ihrer Studie. 

Wahrscheinlichkeit von Störungen

Bei Neandertalerkindern zeigte sich, dass  die Wahrscheinlichkeit von Wachstumsstörungen mit der Entwöhnung zunahm. "Ihren Höhepunkt erreichte sie nach der Entwöhung." Bei Kindern des Jngpaläolitikums (Altsteinzeit) traten diese körperlichen Entwicklungsstörungen in der Zeit der Entwöhnung ab. "Nach deren Abschluss nahmen sie deutlich ab."

Das Forscherteam folgert daraus, dass "diese Ergebnisse zumindest teilweise Unterschiede in der Kinderbetreuung oder andere Verhaltensstrategien" widerspiegeln könnten. Die Ernährung der Babys könnte für das langfristige Überleben des modernen Menschen von Vorteil gewesen sein.  

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