Geschafft, sich nicht anzustecken?
Ja. Diese Angst war ständig vorhanden. Im Spital ist das Risiko doch um das Drei- bis Vierfache höher als auf der Straße. Aber jetzt kann ich wieder ohne diese Sorge in die Arbeit fahren. Da fällt einem ein Stein vom Herzen. Jede und jeder von uns bemüht sich zu 100 Prozent, eine Ansteckung zu vermeiden, aber das schafft man einfach nicht immer. Es ist nicht möglich, auch bei noch so großer Umsicht, jede Ansteckung zu verhindern – nicht im Spital und nicht außerhalb. Und dann sucht man trotzdem immer die Schuld bei sich, glaubt, man hat etwas falsch gemacht. Und auch da bin ich sehr froh, dass ich mir das erspart habe. Meine Emotion nach der Impfung lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Demut, Dankbarkeit und Freude. Ich bin unglaublich dankbar, dass die Life Sciences, die Biowissenschaften, es geschafft haben, in so kurzer Zeit diese Meisterleistung zu vollbringen.
Bis auf eine kurze leichte Druckempfindlichkeit im Bereich des Oberarms hatten Sie keine Beschwerden?
Gar nichts, mir geht es wunderbar. Bei der Grippeimpfung habe ich oft mehr Beschwerden. Ich hatte mir – aufgrund der Daten der Zulassungsstudie – etwas stärkere, aber trotzdem harmlose lokale Reaktionen erwartet. Möglicherweise sind sie nach der zweiten Impfung ein wenig stärker. Bei meinen geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist übrigens das gleiche Bild wie bei mir vorhanden: Keine Beschwerden, sie schauen alle gut aus, lachen. Die Stimmung ist wirklich brillant bei uns.
Gab es keine Impfskepsis?
Ich musste keine Überzeugungsarbeit leisten. Ja, es gab harmlose Diskussionen, wie das immer bei etwas Neuem ist. Wenn man sich in einem Restaurant etwas bestellt, was man noch nie gegessen hat, dann schaut man auch einmal genauer auf den Teller – das ist ganz normal, ganz menschlich. Wir haben in der nächsten Zeit mehrere Impftage im Krankenhaus, wo wir den Großteil des Personals impfen wollen. Die Impftermine waren rasch vergeben und es gab schon Wartelisten. Deshalb werden wir an diesen Tagen deutlich länger im Spital sein, um alle Kolleginnen und Kollegen impfen zu können. Aus meiner Sicht wird die Impfung ein Selbstläufer sein: Wenn die Menschen sehen, das passt, da passiert nichts, dann wird sich einer nach dem anderen impfen lassen. Das sieht man auch in Ländern, die schon viel mehr geimpft haben, wie Israel.
Welche Erfahrung war für Sie 2020 die wichtigste?
Auch wenn es eine alte Geschichte ist – dass alles fließt. Die Geschwindigkeit des Informationsflusses ist enorm, der medizinische Fortschritt eine Sensation. Wir behandeln Covid-19-Patienten heute anders als vor ein paar Monaten, und es wird in ein paar Monaten wieder anders sein. Das ist aber auch eine große Herausforderung für uns alle.
Wie motivieren sie Menschen, die erschöpft sind?
Wir müssen jetzt noch ein wenig warten können. Ich kann nicht wie im Supermarkt „Zweite Kassa!“ rufen, wenn das Warten zu lange wird – das bringt bei einer Pandemie nichts. Das Ertragen von Dingen ist eine menschliche Kategorie, die uns schon Aristoteles gelehrt hat. Bis April wird es noch schwierig, wenn jetzt die Winterinfekte dazukommen. Aber sobald das schöne Wetter kommt und alleine dadurch die Infektionszahlen zurückgehen, und zusätzlich mehr und mehr Menschen geimpft sind, dann wird aus meiner Sicht das Schlimmste vorbei sein. Die Impfung wird das Potenzial haben, die Pandemie zu beenden.
Und eine Therapie?
Natürlich, die brauchen wir unbedingt auch. Es werden immer Menschen erkranken – man wird nicht alle Menschen impfen können und es wird auch manche geben, die trotz einer Impfung erkranken. Wir warten auf die Daten der Studie zu dem Medikament von Josef Penninger – wir haben dazu den weltweit ersten Fallbericht publiziert. Ein gutes Ergebnis wäre wieder ein großer Schritt vorwärts. Es wird schon alles gut werden.
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