Tabuthema Migräne: Mehr als nur Kopfschmerz

Tabuthema Migräne: Mehr als nur Kopfschmerz
Betroffene haben Sorge, von ihrem Umfeld nicht ernst genommen zu werden – was auch dazu führt, dass sie es selbst nicht tun.

„Ich muss zur Arbeit, es waren schon zu viele Krankenstandstage in diesem Jahr und ich kann es mir nicht leisten, wieder zu Hause zu bleiben. Was denken meine Kolleginnen und Kollegen, meine Vorgesetzten?“, so beschreibt Kassandra Steiner, Leiterin der österreichweit agierenden Selbsthilfeorganisation Kopfweh, die Gedanken im Alltag von Migräne-Betroffenen. 

Migräne haben bedeutet, in Attacken wiederkehrende, pulsierend-pochende Kopfschmerzen zu erleiden – oft begleitet von Symptomen wie Seh- oder Empfindungsstörungen (Aura), Heißhunger oder Übelkeit. Dies kann wenige Stunden bis Tage dauern. Manche Betroffene haben bereits in den Tagen vor einer Attacke Symptome und spüren anschließend Nachwirkungen. Sie wachen am Tag danach abgeschlagen auf, mit dem Bedürfnis, sich zu erholen. Trotzdem haben viele das Gefühl, funktionieren zu müssen. Erkrankungen am Arbeitsplatz bedeuten oft die Angst vor Vorurteilen, Ausgrenzung oder Benachteiligung.

Kassandra Steiner weiß, wovon sie spricht. „Meine migränebedingten Ausfälle versuche ich zu kompensieren, indem ich sonst bei der Arbeit enorm perfektionistisch bin. Jahrzehntelang habe ich meine Krankheit sogar verschwiegen, fand Ausreden, wenn es mir nicht gut ging. Ich konnte und wollte nicht darüber reden, denn mit schien, ich wurde von niemandem verstanden.“ 

Für Migräne-Betroffene sei das ganz typisch, meint Sonja-Maria Tesar, Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Klinikum Klagenfurt. „Da die Erkrankung von Außenstehenden oft nicht ernst genommen wird, thematisieren viele Betroffene ihre Migräne nicht. Gehen sie doch davon aus, dass Arbeitgeber oder Familie die Erkrankung nicht verstehen und nachvollziehen können“, sagt Tesar. 

Unbehandelte Migräne hat gefährliche Folgen

Migräne ist eine besonders quälende Form des Kopfschmerzes. Weltweit leiden rund 13 Prozent der Bevölkerung daran. In Österreich sind rund eine Million Menschen von der komplexen neurologischen Erkrankung betroffen, die die Lebensqualität einschränkt.

Kassandra Steiner erzählt von Personen, die ihre Migräne verstecken, sich selbst vernachlässigen und so ihre Gesundheit gefährden. Wer versucht Schmerzattacken mit Eigenmedikation zu bekämpfen, anstatt sich in fachärztliche Behandlung zu begeben, riskiert ein Fortschreiten der episodischen zu einer chronischen Migräne. „Auch besteht die Gefahr von Kopfschmerzen durch einen Übergebrauch an Medikamenten. Mit steigender Häufigkeit von Attacken nehmen auch Angst und Depressionen als Begleitsymptome zu“, sagt Tesar.

Nur nach Diagnosestellung und adäquater Therapie kann die Erkrankung, wenn auch nicht geheilt, doch in vielen Fällen massiv eingeschränkt werden. Mittlerweile gibt es wirkungsvolle prophylaktische Behandlungen, wie die modernen Antikörpertherapien. 

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