Mehr als 3,5 Stunden täglich: Wie das Smartphone auf Jugendliche wirken kann
Drei Stunden und 33 Minuten verbringen Jugendliche im Schnitt täglich am Smartphone. Trennt man nach Geschlecht, zeigt sich, dass Mädchen im Schnitt eine Dreiviertelstunde mehr pro Tag mit dem Handy verbringen als Buben. Allerdings ist die Streuung groß, so gebe es etwa Jugendliche mit einer Nutzung von fünf Stunden und mehr, andere wiederum verbringen deutlich weniger Zeit am Smartphone. Das zeigt eine aktuelle Erhebung des Vereins zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien (Vsum). Im Rahmen der Initiative "Mental Health Days", bei denen der Verein Workshops in Schulen zu unterschiedlichen Themen psychischer Gesundheit, etwa Mobbing, Leistungsdruck, Depression und Sucht, abhält, wurden insgesamt 6.700 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge befragt. Sie waren im Schnitt 14 Jahre alt.
Momentane Gefühle sind nicht automatisch eine psychiatrische Diagnose
Während Mädchen eher Soziale Netzwerke wie Instagram, Facebook und Tiktok sowie Messenger-Dienste nutzen, sind bei Buben Streaming-Dienste und Video-Spiele sehr beliebt. Besonders in sozialen Netzwerken aber auch generell online spielen Themen rund um die psychische Gesundheit eine immer größere Rolle. Sätze wie "Ich bin heute so depri" oder "Ich bin bipolar“ gehen vielen Jugendlichen leicht über die Lippen, oft stecke dahinter aber keine psychiatrische Diagnose, sondern momentane Gefühle.
"Gefühle gehören zum Leben, positive wie negative, und sie können sehr belastend sein. Von einer psychischen Erkrankung spricht man aber dann, wenn es zu einer Beeinträchtigung kommt, wenn man das, was man tun will, nicht mehr umsetzen kann. Wenn schlechte Gefühle lange anhalten, bin ich in meiner Freiheit eingeschränkt“, sagte Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie AKH Wien und Mitglied im wissenchaftlichen Beirat der Mental Health Days bei der Studienpräsentation am Montag.
Etwa um das 14. Lebensjahr steigen psychische Störungen an, insbesondere Angststörungen und Depression seien bei Jugendlichen häufig. "Wenn sie früh erkannt werden, kann man vieles in den Griff bekommen. Um so wichtiger ist es, wenn man in Schulen und Betrieben mit jungen Erwachsenen arbeitet, dieses Potenzial zu nutzen, um sie abzufangen bevor es zu einer Chronifizierung kommt“, betonte Plener.
Während der Pandemie nahmen depressive Symptome und Ängste zu
Internationale Studien würden belegen, dass es während der Pandemie weltweit zu Anstiegen bei depressiven Symptomen sowie Ängste bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gekommen ist. Dabei handle es sich nicht um diagnostizierte Störungen, aber einzelne Symptome hätten deutlich zugenommen. So zeige etwa eine Studie der Donauuni Krems, dass zwar die Zahl jener Jugendlichen, die schon einmal über einen Suizid nachgedacht haben, mit rund einem Drittel konstant ist. Allerdings gebe es eine deutliche Zunahme bei jenen, die täglich darüber nachdenken. Das ist in Österreich etwa jeder zehnte Jugendliche. Diese Zahl ging nicht zurück, als es keine Covid-Einschränkungen mehr gab. Gleichzeitig stieg die Zeit am Smartphone während der Pandemie deutlich an. "Mehrere Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen schlechter Stimmungslage und Smartphone-Nutzung. Das ist nicht unbedingt ein kausaler Zusammenhang, aber es lohnt sich jedenfalls näher hinzusehen", sagt Plener.
Die "Tage der psychischen Gesundheit" in Schulen sind Workshops des Vereins Vsum, bei denen Expertinnen und Experten in sämtlichen Schultypen Einheiten rund um Themen, die Jugendliche betreffen können, abhalten. Gemeisnam mit FAchleuten werden zudem Video- und Onlinematerialien produziert, Informationsmittel und Angebote zu unterschiedlichen Themen mentaler Gesundheit für unterschiedliche Altersstufen ab 10 Jahren. Partner sind bundesweit aktive und auch regionale Hilfsorganisationen wie etwa Rat auf Draht, die Telefonseelsorge, das Kriseninterventionszentrum oder saferinternet.at.
Bisher wurden rund 35.000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge erreicht. 700 Module wurden bisher in Wien, Niederösterreich, dem Burgenland, in der Steiermark und in Oberösterreich abgehalten. Im kommenden Schuljahr werden auch in Salzburg Mental Health Days angeboten.
Themen der Einheiten sind z.B. Mobbing, Essstörungen, Leistungsdruck, Sucht, Depression, Suizidalität und Ängste.
Mehr Infos: www.mentalhealthdays.eu
Bedarf an Hilfsangeboten
Der Zugang zu Hilfsangeboten ist aber gering. Nur etwa jeder Zweite (52%) sieht im Internet zumindest ab und zu Tipps und Tricks fürs psychische Wohlbefinden. Hilfsangebote hat aber nur jeder Dritte (32%) ab und zu am Schirm, Inhalte aus dem Bereich der Suizidprävention sieht nur jeder Fünfte zumindest ab und zu. Dies werde versucht, in den Einheiten der Mental Health Days abzufangen. "Jugendliche sind zwar zum Teil mit Themen psychischer Gesundheit in sozialen Medien konfrontiert, aber es ist etwas anderes, wenn jemand vor mir steht und darüber spricht. Wichtig ist, den jungen Menschen mitzugeben, dass man psychische Probleme haben kann, aber dass man auch etwas dagegen tun kann und dass es Hilfe gibt", betonte Caroline Culen von der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit.
Es gehe auch darum, Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten und im Umgang mit betroffenen Schülerinnen und Schülern zu unterstützen. Sie seien oft erste Anlaufstelle, wenn es Jugendlichen nicht gut geht. Culen: "Pädagogen sind Vermittler zu Angeboten inner- und außerhalb der Schule. Sie müssen nicht die Rolle eines Therapeuten einnehmen, aber ein offenes Ohr haben und keine Angst davor, dass Schüler ernste Themen ansprechen."
Generell zeigte sich in der Erhebung, dass drei von vier befragten Jugendlichen mit ihrem Leben zufrieden sind. Jene, die sich als divers identifizieren, berichteten über geringere Zufriedenheitswerte. Zwei Drittel der Befragten gaben aber an, dass sie innerhalb der letzten zwei Wochen mindestens an einzelnen Tagen Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit empfunden haben. Die Smartphone-Nutzung, soziale Netzwerke und Streaming haben laut der Studie vermutlich negative Effekte auf die Lebenszufriedenheit, diese Effekte seien aber als eher klein einzuordnen.
Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, u.a. Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133)
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