Erster Schrei: KI soll Lungenfunktion von Babys einschätzen helfen

Ein Neugeborenes wird hochgehalten.
Der "Soundcheck" gleich nach der Geburt könnte Grundlage für ein neuartiges Screening werden.

Für Eltern löst der erste Schrei des Babys Entzücken aus. Das deutliche Lebenszeichen ist der Anfang eines lebenslangen unbewussten Prozesses - der selbstständigen Atmung. Forschende an der Med Uni Graz versuchen die Akustik dieses Signals mithilfe von KI zu klassifizieren.

Anhand dieses "Soundchecks" will man künftig Rückschlüsse auf die Lungenfunktion des Neugeborenen ziehen können, schilderte Florian Pokorny im APA-Gespräch. Das Pilotprojekt ist soeben angelaufen.

Der Schreireflex des Neugeborenen sorgt dafür, dass ein Teil der Ausatemluft vom Kehlkopf zurück pendelt, das Fruchtwasser aus der Lunge in das umliegende Gewebe gepresst wird und schließlich frische Luft in die Lungen eindringen kann. Mit ihm soll laut den Forschenden der Klinischen Abteilung für Phoniatrie und den klinischen Abteilung für Geburtshilfe sowie Neonatologie noch mehr möglich sein: "Unsere Vision ist es, dass künftig mit der automatischen stimmbasierten Erkennung der Gesundheitszustand des Neugeborenen erhoben werden kann, insbesondere die Lungenfunktion", erklärte Projektleiter Florian Pokorny von der Klinischen Abteilung für Phoniatrie.

"Für Neugeborene ist der erste Schrei ein wichtiger Schritt, umso erstaunlicher ist es, dass die ersten Laute bisher nur in einigen wenigen wissenschaftlichen Publikationen Berücksichtigung finden", sagte Pokorny. Den innovativen Forschungsansatz unterstützt das Land Steiermark in seiner Förderschiene zur "unkonventionellen Forschung" (UFO) für ein Jahr mit 70.000 Euro. Pokorny geht davon aus, dass die Pilotstudie "ein erster Meilenstein in der Erstbeurteilung eines Frühgeborenen" werden könnte.

Schon jetzt hören Neonatologen auf die Laute des Babys

Ein Beispiel: "Mediziner müssen innerhalb kurzer Zeit abschätzen, ob die Lungenentwicklung entsprechend abgeschlossen ist und von den Lungenzellen ausreichend Surfactant gebildet wird. Diese Substanz ermöglicht, dass sich die Lunge gut entfalten kann. Bei Mangel muss interveniert werden". Bei der Abschätzung würden Neonatologen auf die Laute des Babys hören. Hier könnte in Zukunft das maschinelle Hören unterstützen, wie der Stimmakustiker schilderte.

In einem ersten Schritt will das interdisziplinäre Projekt untersuchen, wie sich die Akustik des ersten Schreies und die Lautäußerungen in den ersten Lebensminuten unterscheiden. Dazu werden in dem Pilotprojekt die ersten Schreie von vorerst rund 20 Termin- und Frühgeborenen aufgenommen. "Das geht natürlich nur mit der schriftlichen Einwilligung der Eltern", wie Pokorny versicherte. Nicht zuletzt soll evaluiert werden, ob die standardisierte Tonaufnahme in der Geburtssituation überhaupt durchführbar ist. Die erhobenen akustischen Unterschiede sollen dann umfassend charakterisiert werden. Daraus sollen in weiteren Schritten Rückschlüsse auf die Lungenfunktion möglich werden.

"Geräte könnten in zehn Jahren in den Kreißsälen stehen"

"Ich könnte mir vorstellen, das entsprechende Geräte in zehn Jahren in den Kreißsälen stehen werden", zeigte sich Pokorny optimistisch. Bis zu den ersten Aufnahmen für das Pilotprojekt werde es allerdings noch ein wenig dauern: "Wir arbeiten noch an den Rahmenbedingungen, das heißt zum Beispiel der Lösung der Frage, wie möglichst wenig störende Nebengeräusche mitaufgenommen werden und die Mikrofone optimal ausgerichtet werden. Eine erste Aufnahme hat der Forscher schon gemacht - bei der Geburt seines eigenen Kindes. "Die teilnehmenden Eltern erhalten eine Aufwandsentschädigung - und natürlich eine Kopie des ersten Schreis ihres Sprösslings", schloss Pokorny.

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