„Es geht nicht nur um die Toten. Zehn Prozent der Unter-65-Jährigen und 20 Prozent der Über-65-Jährigen, die mit ihrer Infektion zu Hause bleiben konnten, leiden unter Long Covid“, berichtet der Allgemeinmediziner Ramin Nikzad auf Basis internationaler Studien. Demnach gibt es in Österreich etwa 50.000 Betroffene. „Das ist etwas, das wirklich gesamtgesellschaftlich beachtet werden muss.“
Dass jemand ein paar Wochen nach der Infektion noch angeschlagen ist, kennt man auch von der Influenza. „Hier gibt es aber Menschen, die ein halbes Jahr nach der Infektion noch immer nicht arbeitsfähig sind. Ich habe bei meinen Patienten viele Selbstständige und Angestellte in leitenden Positionen, die wirklich wollen, aber einfach nicht können.“
Im Wiener AKH findet deshalb in der pulmologischen Ambulanz eine interdisziplinäre Betreuung von Long-Covid-Patienten statt, um ihren Verlauf zu kontrollieren. Bislang haben sich 250 Patienten vorgestellt, die alle drei Monate von Kopf bis Fuß durchgecheckt werden. Die Betroffenen sind zwischen 20 und 91 Jahre alt – Durchschnittsalter 48.
Erste Studienergebnisse am AKH Wien
Univ.-Prof. Daniela Gompelmann, leitende Oberärztin in der Abteilung für Pulmologie des AKH, berichtet von ersten Ergebnissen der laufenden Post-Covid-Studie: „Nach drei Monaten hatte ein Drittel noch immer Veränderungen in den Lungenbildern, jeder Sechste leidet unter Einschränkungen der Lungenfunktion. Bei den Patienten, die stationär ins Spital mussten, sind die Zahlen etwa doppelt so hoch.“
Wer hierbei an alte Patienten mit Vorerkrankungen denkt, der irrt: „Auch junge Patienten, die keine Risikofaktoren wie Übergewicht oder Diabetes haben, leiden oft noch Monate später. In einer Studie mit Patienten, die im Schnitt 40 Jahre alt waren, hatten 70 Prozent vier Monate nach der Infektion noch Probleme.“
Kaum Therapien
Therapeutisch gibt es bisher kaum Lichtblicke. Bei starken Einschränkungen der Lungenfunktion kann eine Cortisontherapie versucht werden. Gompelmann: „Während der Therapie gibt es deutliche Besserungen, aber ob das der richtige Weg ist, kann man noch nicht sagen.“ Eine frustrierende Situation für alle Beteiligten – „für die Patienten, aber auch für uns Ärzte“, sagt Nikzad.
Man kann sich aus der Geschichte aber einiges abschauen, versucht Gompelmann eine Perspektive zu bieten: „Wenn man die Situation mit Sars-Patienten von 2003 vergleicht, hat eine 15-Jahres-Studie gezeigt, dass sich die Lungenfunktion innerhalb des ersten Jahres am meisten erholt. Dann bleibt sie lange stabil und braucht viele Jahre, um auf ein normales Niveau zu kommen. Das könnte man hier auch erwarten. Wir hoffen sehr, dass die Patienten nicht ihr restliches Leben darunter leiden.“
Anlaufstellen für Betroffene von Long Covid
- Selbsthilfegruppe: Für den Austausch mit anderen gibt es mehrere Möglichkeiten - Facebookgruppe „Long Covid Austria“ oder via Twitter @longcovidAT oder via eMail longcovidAT@gmail.com Auch Zoom-Treffen sind in Planung
- Ambulanzen: Am AKH Wien gibt es sowohl eine Covid-Ambulanz auf der Pulmologie als auch auf der Kardiologie. An der MedUni Wien laufen mehrere Studien zu den Covid-Folgen. Näheres auf meduniwien.ac.at
Kommentare