Labormedizin von morgen: Vernetzte Diagnostik für bessere Therapien

Wissenschafterin pipettiert Probe in ein Röhrchen für DNA-Tests.
Fachleute diskutieren auf der 10. Jahrestagung der österreichischen Labormedizin-Gesellschaft unter anderem über die Rolle von KI in der modernen Gesundheitsversorgung.

Wie wird die Labormedizin der Zukunft aussehen? Mit dieser Frage beschäftigen sich dieser Tage führende Fachleute in Salzburg bei der 10. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie (ÖGLMKC). Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, hochspezialisierte Diagnostik: Vor dem Hintergrund dieser Innovationen befindet sich auch die Labormedizin zunehmend im Wandel – und gewinnt in einem modernen, präventiven und personalisierten Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung.

Wie die Gene die Reaktion auf Arzneien beeinflussen

Was tut sich also in Österreichs Laboren? "Wir sind mit verschiedenen Einflussgrößen konfrontiert", schickt ÖGLMKC-Präsident Hans Georg Mustafa voraus. "Neben dem technologischen Fortschritt müssen wir insbesondere auch unserer zentralen Rolle in der personalisierten Medizin gerecht werden." Jeder Mensch sei unterschiedlich, betont der Experte. Dass Krankheitsvorsorge, Diagnostik und Therapien immer exakter auf den Einzelnen zugeschnitten werden können, sei daher ein großer Gewinn für Patientinnen und Patienten.

"Besonders spannend sind hier Fortschritte im Bereich der Pharmakogenetik", sagt Mustafa. Sie beschäftigt sich damit, wie die Gene eines Menschen seine Reaktion auf Arzneien beeinflussen, um eine maßgeschneiderte Therapie zu ermöglichen. "Man sucht im Blut nach spezifischen Genmutationen, die sich auf die Verstoffwechselung der Medikamente auswirken. Das ist für Patienten hochrelevant", schildert Mustafa. Im Bereich der Psychopharmaka helfe dies etwa bei der Entscheidungsfindung: "Wir können damit sagen, welches Antidepressiva-Präparat für welchen Patienten geeignet ist, wenn er auf das erste Medikament nicht gut angesprochen hat."

Für die breite Masse seien pharmakogenetische Analysen nicht geeignet. "Als grobe Screeningmethode sind solche Untersuchungen nicht sinnvoll. Die Indikation, also der Anlass, ist immer eine gescheiterte Therapie." Das genetische Profil allein sei zudem "zu wenig für personalisierte Medizin – aber ein wichtiger Eckpunkt".

KI als "Stütze für den Wissenden"

Ein weiterer ist die Künstliche Intelligenz (KI). "Wenn man einen Patienten genetisch untersucht, bekommt man Unmengen von Daten, die mithilfe der KI in eine Struktur gebracht werden können", sagt Alexander Haushofer, Leiter des Instituts für Medizinische und Chemische Labordiagnostik am Klinikum Wels Grieskirchen. 

In einem weiteren Schritt könne die KI künftig womöglich auch Befunde von Laborfachärztinnen und -ärzten mit anderen medizinischen Befunden, etwa aus Gewebeuntersuchungen oder bildgebenden Verfahren, zusammenzuführen – und so eine hochpräzise Diagnostik ermöglichen. "Ein Pathologe diagnostiziert anders als ein Radiologe oder ein Labormediziner. Hier kann die KI enorm hilfreich sein", meint Haushofer, der in der KI-gestützten Vernetzung eine große Zukunftschance sieht. "Weil die Diagnosen dadurch feiner, spezifischer und schneller werden. Das muss schließlich das Ziel sein, wenn ein Patient ins Krankenhaus kommt: eine möglichst rasche, quervernetzte Diagnostik, um daraus zu generieren, was ihm punktgenau helfen wird." Bis ein derartiges Vorgehen an den Kliniken hierzulande Realität wird, "braucht es aber europaweit noch einiges an Anstrengungen".

Letztlich sehen Haushofer und Mustafa in der KI jedoch lediglich eine Stütze: "Sie unterstützt den wissenden Spezialisten, kann ihn aber nicht ersetzen", formuliert es Mustafa.

 "Nicht jede Krebsart ist ident"

Vernetztes Denken in der Diagnostik habe laut Gregor Hörmann, Labormediziner an der MedUni Wien, etwa in der Krebstherapie bereits zu deutlich höheren Überlebensraten bei Patienten geführt. Erkrankungen können auch risikoärmer behandelt werden. "Es braucht immer ein komplexes diagnostisches Verfahren vor dem Einsatz einer Therapie. Das müssen wir noch in stärkerem Ausmaß hin – für alle Patientinnen und Patienten."

Auch die Orientierung in Richtung Präzisionsmedizin bringe enorme Vorteile für Patienten: "Nicht jede Krebsart ist ident und man muss den einzelnen Menschen berücksichtigen. Dafür ist es nötig, vorherzusagen, welcher Patient wie gut worauf ansprechen wird. Wir haben heute etwa in der Krebstherapie die Möglichkeit, auf verschiedene, moderne Behandlungen zurückzugreifen, nicht mehr 'nur' die klassische Chemotherapie."

Man messe auch das Ansprechen auf bestimmte Therapien und könne bei suboptimalem Verlauf Anpassungen treffen. "Das hilft, die Erkrankung langfristig in Schach zu halten. Wir können bei Tumorpatienten nicht alle paar Monate Gewebeproben entnehmen und diese analysieren. Deswegen geht der Trend in der Diagnostik immer mehr in Richtung einfache Blutabnahme, aus der man im Idealfall möglichst viel ableiten kann."

Selbsttests können ohne Beratung verunsichern

Im Trend liegen auch Selbsttests für zu Hause. Sie boomen in verschiedensten medizinischen Bereichen – von der Ernährung bis hin zur Fruchtbarkeit. Die Fachleute sehen darin eine Chance, aber auch potenzielle Risiken: "Für einen Test braucht man immer eine konkrete Fragestellung, die man beantwortet haben will", erläutert Mustafa. Dank moderner Technologien sei es heute durchaus möglich, aus Trockenblut-Analysen, wie sie bei Selbsttests oft zur Anwendung kommen, aussagekräftige Werte zu erhalten. 

"Am Ende geht es darum, dass man Ergebnisse vernünftig interpretiert", ergänzt Hörmann. Medizinischen Wissen ende niemals beim Wert. "Wenn ein Wert erhöht ist, heißt das oft noch gar nichts." Es gehe darum, Patientinnen und Patienten zu vermitteln, welche Schlüsse man aus den Ergebnissen ziehen kann und weiterführend zu beraten, um einer Verunsicherung vorzubeugen. "Wenn man sie mit Google oder ChatGPT alleine lässt, hat das leider oft einen gegenteiligen Effekt."

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