Anstieg der Hepatitis-A-Fälle: So groß ist die Gefahr in Österreich

Das Hepatitis A-Virus verursacht eine Form von übertragbarer Entzündung der Leber.
87 Erkrankungen durch das Hepatitis-A-Virus wurden hierzulande von Jänner bis Mai verzeichnet. In 44 weiteren Fällen wird eine Infektion mit dem Virus vermutet, die Abklärung läuft noch. Auch drei Todesfälle wurden in Österreich dieses Jahr schon dokumentiert, wie aus einem neuen Bericht des Europäische Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, kurz ECDC) hervorgeht.
Die Zahl der seit Jänner gemeldeten Fälle übersteigt bereits jetzt die Gesamtzahl der im Jahr 2024 registrierten Erkrankungen: Vergangenes Jahr waren es insgesamt 73.
Wie ist die Lage in Österreich? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Hepatitis-A: Was steht im Bericht der ECDC?
Von den 87 bestätigten Hepatitis-A-Fällen in Österreich betraf die Mehrheit, 68 Prozent, Männer. 43 bestätigte Fälle wurden aus Wien gemeldet. Das Durchschnittsalter der betroffenen Personen lag bei 34 Jahren, die Altersspanne der Erkrankten lag allerdings zwischen drei und 84 Jahren. 44 Personen mussten im Spital behandelt werden. "Bisher wurden im heurigen Jahr mehr Fälle als üblich registriert, wir sind aber nicht übermäßig beunruhigt. Wir beobachten die Zunahme der Fälle vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen wie Obdachlosenheimen, man kann aber nicht sagen, dass eine bestimmte Community alleine betroffen ist", sagt der Virologe Lukas Weseslindtner von der MedUni Wien.
Aus dem Gesundheitsministerium heißt es auf KURIER-Anfrage, man beobachte die Situation genau, die Lage sei derzeit unter Kontrolle, eine weitere Ausbreitung sei aber nicht auszuschließen.
Hepatitis A ist eine meldepflichtige Erkrankung, besteht der Verdacht auf eine Infektion, wird die Probe eingesandt, geprüft und im Überwachungssystem der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) dokumentiert.
Auch in den Nachbarländern Tschechien, der Slowakei und Ungarn ist es in den vergangenen Monaten zu einer Häufung von Erkrankungen gekommen.
Warum steigen die Fälle gerade jetzt?
Untersuchungen zu möglichen Übertragungswegen laufen derzeit. Laut ECDC könnte der Anstieg der Fälle zumindest zum Teil auf Roma-Gemeinschaften im Osten der Slowakei zurückgehen. Die Menschen leben dort unter schwierigen hygienischen Bedingungen. Ende 2022 kam es in der Slowakei vor allem bei Kindern zu einer Zunahme von Erkrankungen. "Genotypische Analysen (Untersuchungen der Virus-DNA, Anm.) zeigen, dass die Viren aus Mittel- und Osteuropa nach Österreich kommen. In Österreich gibt es bei Kindern aber keine besondere Häufung von Hepatitis A", betont Weseslindtner.
In diesem Jahr wurden in der Slowakei bereits weit über 800 Erkrankungen gezählt. Allerdings traten diese nur noch zur Hälfte in Roma-Communitys auf.
Insgesamt haben sich die Erkrankungszahlen in den vergangenen 20 Jahren wegen verbesserter hygienischer Verhältnisse in Europa reduziert. Meist stecken sich Österreicherinnen und Österreicher auf Reisen an.
Zu einer Zunahme von Hepatitis A-Fällen ist es durch den Konsum von kontaminierten Lebensmitteln in Österreich selbst gekommen, die Standards in der Lebensmittelproduktion sind aber hoch. "Aktuell sehen wir keine Assoziation mit bestimmten Lebensmitteln. Generell ist das Risiko einer Ansteckung höher, wenn man etwa häufig rohe Lebensmittel, insbesondere Meeresfrüchte, isst. In der Vergangenheit gab es in Österreich aber zum Beispiel auch Fälle durch kontaminierte gefrorene Beeren. Das weist auf eine schlechte Händehygiene in der Produktion hin", erklärt Weseslindtner.
Was versteht man unter Hepatitis A?
Das Hepatitis A-Virus löst eine ansteckende Entzündung der Leber aus und wird von erkrankten Menschen über den Darm ausgeschieden. Die Ansteckung erfolgt durch die Aufnahme von mit Fäkalien verunreinigtem Trinkwasser, Speisen und Nahrungsmitteln, aber auch durch Geschlechtsverkehr. Das Virus gilt als relativ stabil, es kann beispielsweise auch noch eine Infektion auslösen, wenn es Hitze ausgesetzt war. Bei Kindern verläuft die Erkrankung meist mild oder gänzlich ohne Krankheitsanzeichen. Bei Erwachsenen kommt es häufiger zu schweren Verläufen: Ab dem 40. Lebensjahr bzw. bei Personen mit geschädigter Leber ist ein tödlicher Verlauf wahrscheinlicher.
Von der Ansteckung bis zum Auftreten erster Symptome vergehen 15 bis 50 Tage. Es kommt zu grippeartigen Symptomen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen. Durch die Entzündung der Leber kann es zu einer Gelbsucht kommen: Haut und Bindehaut färben sich dann gelb. "Die Leberentzündung tritt bei den meisten Infizierten akut auf, eine Behandlung gibt es nicht. Durch eine massive Immunreaktion kann es zu einer starken Zerstörung von Leberzellen bis hin zu Leberversagen kommen. Dadurch ist die Hepatitis A lebensbedrohlich", sagt Virologe Weseslindtner.
Allerdings sind auch Fälle mit leichter Gelbsucht möglich, die nicht auffallen, Betroffene sind aber dennoch ansteckend. Infizierte scheiden die Krankheitserreger bereits zwei Wochen vor Auftritt von Symptomen auf sowie bis zu eine Woche danach.
Wie grenzt man Hepatitis A von Hepatitis B und C ab?
Bei virusbedingten Leberentzündungen unterscheidet man akute von chronischen, also langanhaltenden, Infektionen. Bei der Hepatitis A gibt es im Gegensatz zur Hepatitis B und C keinen langandauernden, chronischen Verlauf, sie heilt oft von alleine aus. Weseslindtner: "Hepatitis B und C verlaufen akut meist nicht so schwer wie Hepatitis A, allerdings setzen sie sich chronisch fest und können ernste Langzeitfolgen haben. Ein weiterer Unterschied ist der Übertragungsweg." Hepatitis A wird fäkal-oral übertragen, Hepatitis B vorwiegend über Blut, Sexualkontakte und Nadeln, Hepatitis C vor allem über Blut. Hepatitis B und C können medikamentös behandelt werden, für Hepatitis A gibt es keine Therapie. Für Hepatitis A und B sind aber Impfungen verfügbar, sie können auch kombiniert werden. Gegen Hepatitis C kann man sich nicht impfen lassen.
Impfung und Co.: Wie kann man sich schützen?
Es gibt eine wirksame Impfung, die gegen das Hepatitis-A-Virus schützt und in Österreich empfohlen wird. Auch für Kinder vor Beginn des Kindergartens wird eine Immunisierung empfohlen, der Totimpfstoff ist aktuell aber nicht im kostenfreien Kinderimpfprogramm enthalten und muss privat bezahlt werden. Die Impfung kann ab dem ersten Geburtstag verabreicht werden, es sind zwei Teilimpfungen im Abstand von sechs Monaten nötig. Die Kombi-Impfung gegen Hepatitis A und B, wie sie etwa Gesundheitspersonal verabreicht wird, erfordert drei Teilimpfungen. Danach sind keine weiteren Auffrischungen vorgesehen.
Eine Impfung für Erwachsene ist jedem empfohlen, der sich schützen möchte, insbesondere Risikogruppen. Sie schützt vor jeglicher Infektion, nicht nur vor schweren Verläufen und auch vor Übertragung des Virus. Viele Menschen lassen sich vor Reisen in Länder mit starker Hepatitis-A-Verbreitung impfen, dazu zählen beliebte Urlaubsländer Südostasiens, etwa Indonesien. Aber auch abseits von Reisen rät Weseslindtner zur Impfung. "In den vergangenen Jahren gab es wenig Hepatitis-A-Fälle in Österreich, dadurch gibt es kaum mehr natürliche Immunität in der Bevölkerung. Gleichzeitig ist die Impfrate niedrig, sodass das Virus auf eine nicht immunisierte Bevölkerung trifft, was Ausbrüche wahrscheinlicher macht."
Abgesehen von der Impfung ist konsequente Hygiene besonders wichtig, insbesondere eine gutee Handhygiene nach dem Toilettengang und vor dem Kontakt mit Lebensmitteln. Auf Reisen in Regionen mit geringen Hygienestandards empfiehlt sich gründliches Händewaschen mit Wasser und Seife. Zudem kann das Ansteckungsrisiko reduziert werden, wenn man auf rohe Speisen verzichtet, Leitungswasser, auch zum Zähneputzen, vermeidet und Abgepacktes bevorzugt. Auch Eiswürfel, offenes Speiseeis und ungewaschene Frischware aus Straßenverkauf stellen ein Risiko dar.
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