Man analysierte in Summe 42 Beobachtungsstudien mit insgesamt knapp 96.000 Teilnehmenden. Das Team um die Epidemiologin und Dermatologin Eunyoung Cho fand keine eindeutigen Hinweise darauf, dass Rotwein das Krebsrisiko senkt. "Die Ergebnisse zeigen keinen signifikanten Unterschied im Krebsrisiko zwischen Rot- und Weißwein insgesamt", wird Cho in einer Aussendung zitiert. Allerdings konnte auch der Konsum von Wein an sich nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko in Zusammenhang gebracht werden.
Konsum von Weißwein mit erhöhten Hautkrebsrisiko verbunden
Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin, bewertet das Studiendesign positiv: "Man hat die gesamte Fachliteratur aus diesem Sektor untersucht und festgestellt, dass der Konsum von Wein in der Gesamtbevölkerung nicht mit einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen verbunden ist – an sich eine gute Nachricht."
Interessant: In Untergruppen zeigten sich sehr wohl Risikokonstellationen. So ging etwa der Konsum von Weiß- nicht aber der von Rotwein mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko einher. Bei Frauen war der Konsum von Weißwein mit einem höheren Gesamtkrebsrisiko verbunden. "Hier waren die erhobenen Unterschiede aber relativ gering", gibt Widhalm zu bedenken.
Weinkonsum und risikoreiches Verhalten
Die Gründe dafür bleiben rätselhaft, heißt es vonseiten der Studienautorinnen und -autoren. Auch Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, fehlt "die Fantasie, wie das zusammenhängen könnte". Denkbar sei laut Cho, dass ein hoher Weinkonsum mit risikoreichen Verhaltensweisen wie beispielsweise der Nutzung von hautkrebsfördernden Solarien und unzureichender Verwendung von Sonnenschutzmitteln einhergeht.
Mögliche Verzerrungen könnten sich aus der Tatsache ergeben, "dass sich die analysierten Studien auf Selbstauskünfte von Menschen zu ihrem Weinkonsum stützen", betont Widhalm. "Diese spiegeln womöglich nicht das wider, was die Menschen in Wirklichkeit trinken."
4,1 Prozent aller Krebsneuerkrankungen auf Alkoholkonsum zurückzuführen
Im Jahr 2020 waren laut einer Lancet-Studie weltweit 4,1 Prozent aller Krebsneuerkrankungen auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Expertinnen und Experten vermuten, dass bei Männern etwa neun von zehn und bei Frauen rund die Hälfte der alkoholbedingten Krebserkrankungen und Krebstodesfälle vermieden werden könnten, wenn Alkohol in den empfohlenen Maßen getrunken würde.
Befunde, wonach die krebsfördernde Wirkung von Alkohol als bewiesen angesehen wird, sieht Widhalm zwiegespalten: "Natürlich gib es immer wieder einzelne Studien, die eine erhöhte Risikokonstellationen nachweisen – oft lassen sich diese Ergebnisse in größeren Studien aber nicht replizieren."
Als Freibrief zum Weintrinken lasse sich die neue Studie aber nicht interpretieren: "Die – sehr relevante – Frage nach der alkoholbedingten Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gefäßerkrankungen oder einer Leberzirrhose wurde nicht beleuchtet."
"Jede Form von Alkoholkonsum ist nicht gesundheitsfördernd"
"Die stark propagierten gesunden Wirkungen des Achterls Rotwein haben sich in etlichen Studien nicht bestätigt", fasst es Sevelda zusammen. "Fakt ist: Jede Form von Alkoholkonsum ist nicht gesundheitsfördernd."
Die kürzlich aufgekommene Debatte rund um Warnhinweise auf alkoholischen Getränken – die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte Etikettierungen zur Bewusstseinsbildung empfohlen –, sieht der Experte allerdings kritisch: "Das hat, wie wir wissen, schon beim Rauchen nichts gebracht."
Die Erkenntnisse – so summieren die US-Forschenden – würden den Glauben an die krebsschützenden Eigenschaften von Rotwein jedenfalls weiter untergraben, die weißweinspezifischen Ergebnisse aufbauende Untersuchungen nötig machen. Weinkonsum sei laut Sevelda kein der Gesundheit zuträglicher Faktor, "wenn es denn wirklich beim Achterl ab und zu bleibt, aber auch keine massive Gesundheitsgefahr".
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