Herbert Formayer: Bei uns ist Hitze das Hauptproblem. Laut Berechnungen haben wir in besonders heißen Jahren um die 500 Hitzetote in Österreich, das heißt, mehr Tote als im Straßenverkehr. Das ist ein massives Problem. Die Hitze erhöht die körperliche Belastung und das kann bei ohnehin schon belasteten Personen, etwa mit Herzerkrankungen, zu Verschlechterungen führen. Wir sehen in einer Kooperation mit der Universität Innsbruck, wo wir die Daten von Herzschrittmachern auswerten, dass nicht nur die Sterblichkeit bei Extremtemperaturen steigt, sondern etwa auch Herzrhythmusstörungen zunehmen. Besonders heiße Tage haben auch Einfluss auf die Arbeitswelt – vor allem bei Berufen im Freien wird es fehleranfällig. Gleichzeitig sinkt mit der Hitze die Luftqualität, es steigt etwa die Ozonbelastung.
Sind wir für die steigende Hitze gewappnet?
Hier wird es mehr soziale Abhilfe brauchen. Es gibt Studien, die zeigen, dass vor allem die ärmere Bevölkerung, die in nicht sanierten Häusern, in dicht verbauten Gebieten wohnt, unter der steigenden Hitze leidet. Wenn in der Nähe nichts ist, wo man sich im Freien erholen kann, man erst wo hinfahren muss, dann generiere ich einerseits Verkehr und andererseits geht das für manche, wie ältere Menschen, nur schwer. Hier gibt es noch extrem viel zu tun. Wir haben aber bisher bei der Hitze noch Glück gehabt. In den vergangenen Jahren haben wir Anfang Juli keine extreme Hitzewelle erlebt – wenn das einmal passiert, müssen wir mit Temperaturen deutlich über 40 Grad rechnen. Zwar gab es im Vorjahr innerstädtisch mehr als 40 Tropennächte in Wien und die fehlende nächtliche Abkühlung ist problematisch, aber diese extreme Hitze untertags ist uns bisher noch erspart geblieben. Das kann jederzeit soweit sein und dann wird man sehen, wie gut wir schon angepasst sind.
Ist eine Anpassung überhaupt möglich?
Es gibt Grenzen der Anpassung. Untersuchungen für Wien und Graz zeigen, dass man mit Anpassungsmaßnahmen maximal ein, zwei Grad Abkühlung bewirken kann. Die Infrastruktur in den großen Städten, die großteils aus dem 19. , Anfang 20. Jahrhundert stammt, ist überhaupt nicht angepasst. Das ist ein Problem. Altbestände „umzumodeln“ ist wesentlich schwieriger als Neubauten zu optimieren. Wir sind trotzdem noch gesegnet. Wir haben grundsätzlich genug Wasser. Wir können unsere Städte begrünen, wir können mit Wasser für einen Kühleffekt sorgen. Es wird sehr viel in grüne und blaue Infrastruktur investiert, aber es werden Trockenperioden kommen, wo man mit Regenwassernutzung und ähnlichem nicht weiterkommt. Und wir haben durchaus auch Hitzeproblematiken in inneralpinen Gegenden. Zum Beispiel gibt es in Innsbruck im Schnitt mehr Hitzetage mit über 30 Grad als in Salzburg, weil sich die Talatmosphären viel schneller aufheizen. Hitze ist nicht nur auf das östliche Flachland reduziert, sondern geht auch in die Alpen hinein. Dort hat man aber den Vorteil, dass die Nächte rascher abkühlen.
Werden ausreichend Maßnahmen gesetzt?
Es findet langsam ein Umdenken statt. Bei uns wird es noch einmal einen Schub geben, wenn es wirklich einmal 42 Grad hat. Dann werden auch von der Öffentlichkeit Maßnahmen stärker eingefordert werden. Viele kennen natürlich die Hitze, wenn man im Mittelmeerraum auf Urlaub fährt. Aber es ist ein Unterschied, ob ich im Urlaub oder im Alltag, im Beruf bin und an gewissen Plätzen sein muss. Die Hitze hat auch nicht nur auf den Körper Auswirkungen, sondern wirkt vielfältig auf unser Leben. Ein wichtiges Schlagwort, unter dem nun vermehrt geforscht wird, ist „One Health“. Es meint, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander zusammenhängt.
Das zeigt sich zum Beispiel bei den Auswirkungen der Klimaerwärmung auf potenziell krankheitserregende Tierarten, die sich bei uns ansiedeln. Was kommt hier auf uns zu?
Über neue Vektoren wie die Tigermücke, die bei uns schon heimisch geworden ist, können auch tropische Krankheiten heimisch werden. Noch ist das nicht der Fall – zum Beispiel gibt es die Malaria übertragende Anophelesmücke, aber da es abgesehen von Reiserückkehrern keine Malariakranken gibt, kann sich die Mücke nicht anstecken und die auslösenden Parasiten nicht übertragen. Man braucht beides, den Erreger und den Vektor und man muss beides zusammenführen, dass sich eine Krankheit bei uns durchsetzen kann. Das ist, Gott sei Dank, nicht häufig. Das Problem bei sogenannten Neobiota, also gebietsfremden Arten, ist, dass sie meist keine Fressfeinde haben und sich explosionsartig vermehren können. Deshalb gibt es Monitoringsysteme und manchmal Zählungen, an denen sich die Bevölkerung beteiligen kann. Ich denke, hier bräuchte es noch mehr Standardisierung, damit man sofort bemerkt, wenn etwas Neues auftritt.
Verhält es sich in der Pflanzenwelt ebenso?
Ja. Das Hauptproblem sind Pflanzen, die Allergien auslösen können. In den 1990er-Jahren hat man gesagt, dass Pflanzen wie Ragweed kommen werden, inzwischen haben einige Arten die Allergiesaison in Österreich deutlich verlängert und sich großteils durchgesetzt. Für Allergiker erhöht dies die Belastung deutlich.
Ein großes Thema sind auch mentale Belastungen. Viele Menschen sind verunsichert bis ängstlich, welche Auswirkungen der Klimawandel haben kann.
Ich sehe das vor allem bei Jugendlichen. Viele sind besorgt und sehen ihr zukünftiges Leben gefährdet. Die Covid-Pandemie hat hier sicherlich verstärkend gewirkt, viele Krisen sind gleichzeitig sichtbar geworden. Für daraus folgende psychische Probleme gibt es schon mehr Bewusstsein, gleichzeitig fehlen viele Kinder- und Jugendpsychiater in Österreich. Generell ist es wichtig, Selbstwirksamkeit zu erleben. Wenn ich aktiv werden kann, geht es auf jeden Fall besser, als nur zuhause zu sitzen. Insofern ist es durchaus richtig, dass sich Jugendliche ernsthaft mit dem Klimawandel beschäftigen. Wir müssen aber der Jugend das Gefühl geben, dass sie ihre Zukunft selbst gestalten und auch noch etwas verändern kann. Das ist etwas, das wir als Gesellschaft leisten müssen – den Jungen Perspektiven bieten.
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