Multiresistente Keime: "Eine leise Epidemie"

Multiresistente Keime: "Eine leise Epidemie"
Wie es zu Hygienefehler im Krankenhaus kommt und welche Erreger Hygieniker am meisten fürchten.

Krankenhaushygieniker arbeiten wie Detektive und sind jeden Tag auf der Spur von potenziellen Keimen, die im Krankenhaus schwere Infektionen hervorrufen können. Univ.-Prof. Elisabeth Presterl, Leiterin der Abteilung Krankenhaushygiene und Infektionskontrolle am Wiener AKH/MedUni Wien über die gefürchtetsten Erreger, notwendige Verbesserungen im System und den Stellenwert richtiger Handhygiene im Krankenhaus.

Der Geburtstag von Ignaz Semmelweis jährt sich zum 200. Mal, er gilt als „Erfinder“ der Krankenhaushygiene.  Was hat sich seit Semmelweis verändert, wo stehen wir heute?

Presterl: Es gibt große Errungenschaften und eine Hightech-Medizin, mit der wir Patienten retten können, die früher sicher gestorben wären. Aber sie sind empfänglich für Infektionen.  Außerdem gibt es weiterhin Infektionskrankheiten, und das in einer globalen Welt.

Welche Rolle spielen multiresistente Erreger?

Es handelt sich um eine leise Epidemie. Diese Erreger breiten sich aus, gegen sie helfen keine Standardantibiotika mehr. Es gibt Länder mit sehr hohem Vorkommen, von dort werden sie zu uns gebracht und durch sorglosen Antibiotikagebrauch selektioniert. Sie und ich werden im Rahmen einer Reisetätigkeit manchmal mit so einem Erreger besiedelt sein, da passiert nicht viel, nach einigen Monaten ist er weg. Nur im Krankenhaus können sie zu einem wirklichen Problem werden, zumal es hier sehr hohe Betriebszahlen gibt. Das ist eine besondere Herausforderung im Spitalsbetrieb.

Welche sind die gefährlichsten Keime, wovor man als Expertin wie Sie den größten Respekt hat?

Das ist in Spitälern sicher der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, MRSA. Er ist gegen die meisten Antibiotika unempfindlich und macht schwere Infektionen. Er kann bei gesunden Menschen in der Nase oder auf der Haut vorkommen, wird leicht übertragen und ist sehr robust. Seit es vor einigen Jahren große MRSA-Epidemien gegeben hat, wurde die Krankenhaushygiene upgegradet. Und dann machen uns multiresistente Erreger wie Klebsiella pneumoniae oder Clostridium difficile Sorgen, diese Infektionen sind gestiegen.

Laut MedUni Wien liegt die Wahrscheinlichkeit, sich in einem Wiener Spital mit einem Krankenhauskeim zu infizieren, aktuell bei vier Prozent. Ist das überall gleich oder gibt es schwarze Schafe?

Wir haben diesbezüglich eine Studie gemacht, in insgesamt 50 Krankenhäusern. Da hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, eine allgemeine Infektionserfassung nach Protokoll zu machen, weil so die Aufmerksamkeit dem Thema gegenüber steigt. Die Teilnahme an der Studie erfolgte freiwillig, es haben vor allem jene Spitäler mitgemacht, die gut sind.  In jenen Häusern mit mehr Intensivbetten und schwer kranken Patienten liegen die Raten naturgemäß etwas höher. 

Wo lauern die größten Gefahren?

Kranke haben eine veränderte Körperflora und sind gleichzeitig durch ihre Krankheit beeinträchtigt. Operationswunden und überhaupt Wunden sind perfekte Eintrittspforten für Erreger. Das ist die Kehrseite der Hightech-Medizin, dass mit allen Aktionen oder lebensrettenden Maßnahmen auch Infektionen begünstigt werden. Wenn Sie etwa einen Venenkatheter für eine Dialyse legen, wird die Haut durchbrochen – da kann es zu einer Infektion kommen.  Darum muss auch weiterhin geforscht werden, was wir tun können, um diese Infektionsraten gering zu halten.

Da spielt die viel gepriesene Handhygiene eine große Rolle?

Ja, natürlich. Aber es geht auch um ein Bewusstsein, um Kommunikation und ein Bündel diverser Maßnahmen. Idealerweise wird nach Arbeitsanweisungen und Standardprozeduren vorgegangen.

Das funktioniert offenbar nicht immer?

Meist schon, außer bei Überlastung oder Hektik. Hier wird die Gefahr eines Fehlers größer, das zeigen Studien. Die wesentliche Hürde sehe ich jedoch im Thema Bewusstsein. Als Experten für Krankenhaushygiene erinnern wir permanent daran, dass immer etwas passieren, es zu Hygienemängel kommen kann, wenn nicht sorgfältig darauf geachtet wird.  Überwachung ist wichtig, es braucht Zahlen, um Infektionen zu erfassen. Das schafft Bewusstsein und es ist erst dann möglich, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Wo sind da die wesentlichen Hürden?

Personalmangel, bereits erwähnte Hektik. Und Kommunikationsmangel. Neuerungen und Veränderungen sind ebenfalls Hürden und manchmal ist es auch Wissensverlust.

Welche Folgen kann eine Infektion mit einem Krankenhauskeim für Patienten haben?

Das ist sehr unterschiedlich. Am häufigsten im Spital sind Lungenentzündungen, postoperative Wundinfektionen, Harnwegsinfektionen und, wie erwähnt, Infektionen mit Clostridium difficile, das Durchfall verursacht. Wundinfektionen sind dann schrecklich wenn sie Implantate oder Prothesen betreffen, weil die Behandlung sehr langwierig und kompliziert wird. Vor allem, wenn der Erreger nicht mehr sehr empfindlich ist. Fremdmaterial ist ein guter Ort, wo Bakterien verstecken spielen, sich festsetzen und kaum wegzubringen sind. Das kann zu schwersten Infektionen führen, mit Langzeitfolgen bis hin zu Amputation. Man darf das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Und wer solche Patienten sieht, weiß: Das darf nicht sein.

Wenn ich als Besucher in ein Spital komme, worauf sollte ich achten?

Besucher müssen gesund sein. Jeder muss wissen, dass er Viren oder Bakterien mit sich tragen kann, die für den Kranken mehr Krankheit bedeuten können. Händewaschen ist die Basis für Hygiene im normalen Leben, aber wir bitten Besucher auch, sich die Hände zu desinfizieren. Unsere Handdesinfektionsspender sind frei zugänglich – in einem Spital ist die Desinfektion mit Alkohol angesagt, im normalen Leben reicht das Händewaschen mit Seife und Wasser.

Was fordern Sie, um Krankenhaushygiene zu verbessern?

Das wichtigste ist ein Meldesystem, um Zahlen zu haben und die Infektionen zu erfassen. Es braucht die Mittel und das Bewusstsein, um Abläufe richtig und hygienisch durchzuführen. Notfall ist Notfall, aber im Routinebetrieb muss das entsprechend personell und zeitlich unterfüttert sein. Gute Arbeit braucht Zeit und Personal. Ein großes Anliegen ist auch das Wissen um Hygiene, um gute Abläufe, um Qualität und gute Kommunikation.

 

 


 

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