Hirntumore im Kindesalter sind oft besonders aggressiv
"Das liegt einerseits daran, dass es viele unterschiedliche Arten von Hirntumoren gibt – in Summe über 100", sagt Gojo. Andererseits seien Hirntumore im Kindes- und Jugendalter oft besonders aggressiv. Es gebe zudem Hirntumore, die ausschließlich im Kleinkindalter vorkämen, "andere betreffen wiederum nur Jugendliche, was damit zu tun hat, dass es in der Hirnentwicklung bestimmte Zeitfenster gibt, wo die jeweiligen Tumore entstehen können", präzisiert der Onkologe und Molekularbiologe.
In puncto Ursachenforschung sei nach wie vor vieles unklar: "Wir wissen, dass Umwelteinflüsse im Kindesalter im Unterschied zum Erwachsenenalter kaum eine Rolle spielen." Rund zehn bis 15 Prozent der Kinderhirntumore seien auf erbliche Neigungen zurückzuführen. "In sehr vielen Fällen entstehen sie zufällig – beziehungsweise wissen wir noch zu wenig über die genauen Mechanismen dahinter." Insgesamt sei die Prognose nach einer Diagnose dennoch günstig: "Vier von fünf Kindern können geheilt werden, aber es gibt Fälle, wo das nach wie vor nicht gelingt."
Neue Therapieansätze zeigen vielversprechende Erfolge
Hier setzen neue internationale Forschungen an, an denen Gojo beteiligt war. In früheren Untersuchungen konnten Gehirnzellen identifiziert werden, aus denen sich häufig schwer therapierbare Kinderhirntumore entwickeln. In aktuellen Forschungen wurde nun versucht, aus diesem Wissen potente Therapieansätze abzuleiten.
"Es gibt eine bestimmte Gehirnzellenart, die in ihrer Entwicklung abhängig von einem bestimmten Signal, einem Protein, ist", erklärt Gojo. "Wenn sich aus diesen Zellen Krebs entwickelt, ist dieses Signal überaktiviert, sodass die Zelle krankhaft zu wuchern beginnt." In Studien wurde versucht, besagtes Signal mit bereits verfügbaren Medikamenten, die zur Behandlung von Tumoren bei Erwachsenen entwickelt wurden, zu steuern. Tatsächlich konnte damit die Überaktivierung und somit das Wachstum gehemmt werden. Die Tumore blieben kleiner – allerdings nur für gewisse Zeit. "Wir konnten die Tumore bei einem Teil der Patientinnen und Patienten temporär zurückdrängen. Irgendwann haben sie in den meisten Fällen wieder zu wachsen begonnen", berichtet Gojo. In weiteren Studien soll erforscht werden, wie man die neuartige Therapie mit anderen Behandlungen kombinieren könnte, um langfristigere Erfolge zu erzielen.
Bis die Therapie einer breiten Patientengruppe zur Verfügung steht, bedarf es noch weiterer Forschung. Aktuell werden Hirntumore, je nach Tumortyp und Kindesalter, operativ und/oder mittels Chemo- oder Strahlentherapie behandelt. Auch zielgerichtete Therapien und Immuntherapie, die Abwehrzellen im Körper im Kampf gegen den Krebs mobilisieren, werden eingesetzt. "Zwei Drittel der Langzeitüberlebenden erleiden allerdings Spätfolgen, unter anderem aufgrund einer für die Tumorbehandlung notwendigen Bestrahlung. Insofern arbeiten wir auch daran, die verfügbaren Therapien verträglicher zu machen", betont Gojo.
Rolle der Kinderärztinnen und -ärzte bei der Früherkennung
Oft kündigen sich Hirntumore bei Kindern durch diffuse Beschwerden an. "Zu den häufigsten Symptomen zählen Übelkeit und Erbrechen, vor allem morgens. Auch Wachstumsstörungen oder epileptische Anfälle können auftreten, in manchen Fällen können anhaltende Rückenschmerzen auf einen Tumor hindeuten." Wichtig sei laut Gojo, Kinderärzte in dieser Hinsicht gut aufzuklären und zu schulen, damit Verdachtsfälle zur weiteren Abklärung weiterverwiesen werden. "Das funktioniert in Österreich schon jetzt sehr gut."
Wenn Kinder schwer erkranken, macht das betroffen. Gojo empfindet die Arbeit in diesem Bereich als lohnend: "Ich habe schon während meines Studiums gemerkt, dass die pädiatrische Onkologie ein Feld ist, in dem man viel bewirken kann, wenn man das Wissen aus der Forschung direkt in die Klinik bringt."
Wenn absehbar ist, dass keine Heilung möglich ist, "ist es genauso wichtig, auch diesen Aspekt wahrzunehmen", sagt der Mediziner. "Im Sinne der Patientinnen und Patienten arbeiten wir hier intensiv mit mobilen Kinderpalliativteams zusammen und tun alles, um eine gute Lebensqualität zu bieten. Gleichzeitig arbeiten wir in der Forschung weiter daran, künftig noch bessere Therapien anbieten zu können."
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