Hirnforscher zu Covid-19: Woher die Angst vor Impfungen kommt

Impfung in der Hofburg
Jeder vierte Jugendliche leidet unter Blut-Spritzen-Verletzungsangst. Woher diese Angst kommt, weiß der Neurobiologe Marcus Täuber.
Von Uwe Mauch

Blutabnahmen, Impfungen oder kleine Eingriffe können bei manchen Menschen starke Ängste bis hin zur Panikreaktion auslösen. Besonders stark ist die Angst vor Verletzungen durch Nadeln bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausgeprägt. Rund ein Viertel in dieser Altersgruppe weist eine entsprechende Phobie auf. Im Alter nimmt die Angst ab und erreicht eine Prävalenz von maximal fünf Prozent.

"Die Angst vor Verletzungen ist ein Steinzeitprogramm unseres Gehirns", so Neurobiologe Marcus Täuber. Wer sich verletzte, hatte ein deutlich erhöhtes Sterberisiko. Die sogenannte Trypanophobie setzt bei diesem evolutionären Erbe an, und wird durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst.

Kontrollverlust bewirkt verzerrte Risikowahrnehmung

Manche Menschen sind grundsätzlich eher ängstlich, andere wiederum haben negative Erlebnisse von ersten Arztbesuchen abgespeichert, die schmerzhaft waren. Auch der Kontrollverlust spielt eine bedeutsame Rolle. Eine Impfung wird von manchen Menschen mit einem Gefühl von Ausgeliefert-Sein verbunden.

"Dieser Kontrollverlust", so Täuber, der in seinem neuen Buch "Falsch gedacht!" (im Goldegg-Verlag erschienen) Irrtümern in unserem Gehirn auf den Grund geht "bewirkt eine verzerrte Risikowahrnehmung".

Wie bei der Flugangst

Das ist im Prinzip wie bei der Flugangst: Wir haben in der Regel mehr Angst vorm Fliegen als vor der Autofahrt zum Flughafen, erklärt der Experte. Statistisch gesehen ist aber zweiteres riskanter. Nur wenn wir selbst am Steuer sind oder auf den Fahrer einwirken können, gibt uns das ein Gefühl von Kontrolle und damit Sicherheit.

"Angst ist nicht logisch", fasst der Neurobiologe zusammen. Viele Menschen haben ein mulmiges Gefühl, wenn sie im Meer baden. Die Angst vorm weißen Hai ist dabei besonders ausgeprägt. Allerdings: Nur etwa zehn Menschen sterben durchschnittlich pro Jahr weltweit an einer Haiattacke.

Die Spritze und der weiße Hai

Insofern ist die Angst vor der Nadel vergleichbar mit der Angst vorm weißen Hai. Bei beiden malt sich das Gehirn entsprechende Schreckensszenarien aus. Die Alarmanlage im Gehirn, die sogenannte Amgydala, wird aktiviert und erhöht das Stresshormon Kortisol.

Die Bilder aus Hollywood wie auch einzelner Medienberichte zu Haibissen brennen sich besonders leicht in die Amygdala ein.

Was wir tun können

"Das Tückische an der Angst", erklärt Hirnforscher Täuber so: "Sie führt zu einem Vermeideverhalten. Dadurch aber wird das Problem nicht gelöst. Auswege aus dieser Angst liegen in der kontrollierten Konfrontation."

Für Täuber ist es wichtig, die Angst wahrzunehmen und zu akzeptieren. "Dazu müssen wir sie uns eingestehen und wie eine gute Freundin betrachten, die uns vor Gefahren beschützen möchte.

Wer sich mit faktenbasierten Aspekten des Impfens beschäftigt und Sorgen mit Vertrauenspersonen sowie der Hausärztin bzw. dem Hausarzt bespricht, legt den Grundstein zu einer Linderung.

Tiefe Bauchatmung in Zusammenhang mit inneren Bildern von angsteinflößenden Situationen helfen, mehr Ruhe im Kopf zu erlangen. In ausgeprägten Fällen hilft eine Expositionstherapie, die auch über Virtual-Reality durchgeführt werden kann.

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