Geheimprotokolle: Experten warnten vor "Kernschmelze des Gesundheitssystems"

Geheimprotokolle: Experten warnten vor "Kernschmelze des Gesundheitssystems"
In Protokollen der Corona-Taskforce wurde auch die heikle Frage aufgworfen, ob gewisse Patienten nicht mehr beatmet werden sollen.

Erstmals liegen die gesammelten Protokolle des Corona-Krisenstabs vor, der im Gesundheitsministerium angesiedelt ist. Wie die Kleine Zeitung berichtet, warnte ein Experte in Kenntnis der italienischen Verhältnisse drei Tage vor dem österreichischen Lockdown am 15. März vor einer „Kernschmelze des Gesundheitssystems“.

Ein anderer äußerte die Sorge, dass das heimische Gesundheitssystem „rasch in die Knie“ gehen könnte, sollten Intensivstationen oder Spitäler an ihre Kapazitätsgrenze stoßen. Für Debatten sorgte vor allem die von Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer der Sitzungen des Krisenstabs getätigte Formulierung: "Die Menschen sollen Angst vor einer Ansteckung haben, Angst davor, dass Eltern, Großeltern sterben. Hingegen soll man der Bevölkerung die Angst vor Lebensmittelknappheit, Stromausfällen nehmen."

Insgesamt wurden die Protokolle von elf Krisensitzungen (zwischen 28. Februar und 6. April) anonymisiert veröffentlicht. Auf 100 Seiten wurden die internen Debatten der etwa 20 Experten des Krisenstabs, zu denen neben Virologen, Infektiologe, Epidemiologen wie unter anderem Heinz Burgmann, Herwig Kollaritsch und Elisabeth Puchhammer auch der Ages-Chef Franz Allerberger oder Ärztekammerchef Thomas Szekeres zählen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober will aber auch die restlichen Protokolle zugänglich machen.

Wie aus den Protokollen hervorgeht, gab es Überlegungen, ehemalige Ärzte aus der Pension zurückzuholen und als Regierung SMS an alle Bürger zu versenden, schreibt die Kleine Zeitung.

Angesichts der dramatischen Situation in italienischen, französischen und spanischen Spitälern wurde außerdem in einer Sitzung am 9. März von einem Experten die heikle Frage aufgeworfen, ob auch in Österreich im Ernstfall nicht mehr alle Patienten an Beatmungsgeräte angehängt werden sollen. Konkret wurde diskutiert, ob Geräte für jüngere Corona-Patienten freigehalten und nicht mehr an ältere, schwer kranke Patienten vergeben werden sollten.

Eine Frage, die letztlich aber nicht mehr weiterverfolgt wurde, da sich die Lage auf Österreichs Intensivstationen glücklicherweise nicht derart dramatisch zugespitzt hatte. Gradmesser einer solchen Entscheidung sollte aber „nicht der Ressourcenmangel, sondern ausschließlich medizinische Gründe sein“, wie festgalten wurde.

"Wer geht mit dem Hund Gassi?"

Details zum Hotspot Ischgl gehen aus den Protokollen nicht hervor, es finden sich jedoch Hinweise darauf, dass die Regierung in der Causa mehrfach aus dem Ausland kontaktiert worden sei. Weitere Diskussionspunkte waren unter anderem Schutzvorkehrungen inklusiv Schutzkleidung und Masken sowie die Frage, wann und nach welchen Kriterien Schulen oder Konzerthallen geschlossen werden sollen. Aber auch die Auswirkungen der Maßnahmen wie beispielsweise Vereinsamung oder die Frage, wer mit dem Hund Gassi geht, sollte der Besitzer unter Quarantäne gestellt werden, waren Thema.

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