Fußball-Fans aufgepasst: Warum die EM das Herzinfarktrisiko erhöht

Fußball-Fans aufgepasst: Warum die EM das Herzinfarktrisiko erhöht
Die Fußball-EM lässt aktuell Herzen höher schlagen - das kann mitunter gefährlich sein. Laut mehreren Studien erhöht sich beim Mitfiebern das Herzinfarktrisiko.

Aktuell sorgt die Fußball-Europameisterschaft täglich für freudige Momente, doch die die Spannung in den Stadien hat nicht nur ihre positiven Seiten: Ein solches Fußballgroßereignis erhöht nämlich das Herzinfarktrisiko der Fans um deutlich mehr als das Doppelte. 

Das berichteten Kardiologen des Universitätsklinikums München-Großhadern bereits im Vorfeld der EURO 2008 im New England Journal of Medicine. Auch andere Studien weisen auf ein erhöhtes Risiko hin. Siege der eigenen Mannschaft dürften sich positiv auswirken.

Männer sind besonders gefährdet

Die deutschen Herzspezialisten hatten die Einsatzprotokolle von 24 Notarztstandorten im Großraum München während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 (9. Juni bis 9. Juli 2006) ausgewertet. Demnach ist das Zuschauen beim Kampf um Ball und Tore für Männer deutlich gefährlicher. Wie die Studienautorin Ute Wilbert-Lampen und ihre Mitautoren schreiben. Bei ihnen steigt das Herzinfarktrisiko um das 3,26-fache, bei Frauen um das 1,82-fache. Zum Vergleich zogen die Mediziner Herzinfarktzahlen aus Zeiträumen heran, in denen die deutsche Nationalmannschaft nicht um den begehrten goldenen Pokal spielte, zum Beispiel vom 1. Mai bis 8. Juni 2006 und vom 10. Juli bis 31. Juli 2006. Die meisten Notfälle ereigneten sich in den ersten zwei Stunden nach Spielbeginn, berichten die Mediziner.

Verantwortlich ist ein Mix aus Risikofaktoren

Dass das Mitfiebern vor dem Fernseher bei solchen Fußball-Großereignissen - derzeit zittern auch viele Österreicher um den Erfolg der Nationalmannschaft unter Ralf Ragnick - mit einem Anstieg der Fälle von plötzlichem Herztod zusammenhängt, ist wissenschaftlich bereits sehr gut belegt. Schweizer Kardiologen des Centre Hospitalier Universitaire Vaudois in Lausanne hatten bereits während der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 entsprechende Daten erhoben.

"Unsere Studie zeigt einen Anstieg der Fälle von plötzlichem Herztod außerhalb von Krankenhäusern bei der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz während der Fußballweltmeisterschaft 2002 im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2001", erklärte Eugene Katz damals auf dem Europäischen Kardiologenkongress 2003 in Wien. In der Schweiz war ein Anstieg der Herztodesfälle außerhalb von Krankenhäusern um 60 Prozent registriert worden. Zuvor hatte eine Forschergruppe im ebenfalls fußballbegeisterten England am 30. Juni 1998, als die englische Mannschaft gegen Argentinien verlor, einen sprunghaften Anstieg der akuten Herzinfarkte um 25 Prozent festgestellt.

Wahrscheinlich ist ein Mix aus Risikofaktoren für das erhöhte Herzinfarktrisko verantwortlich. Eugene Katz begründete das Phänomen so: "Wir interpretieren das als einen Anstieg durch psychischen Stress, Alkohol, Tabak und verringerte medizinische Betreuung bzw. auch verringerte körperliche Aktivität der Fußballanhänger.

David Leistner, einer der Autoren der Münchner Studie von 2008 und heute Direktor des Herz- und Gefäßzentrums der Medizinischen Klinik 3 und des Universitätsklinikums Frankfurt am Main, wurde unlängst im Deutschen Ärzteblatt zitiert: "Ich denke, was kausal auf das Massenereignis 'Fußballturnier' und den damit verbundenen Stress - positiv wie negativ - zurückzuführen ist, ist schwer zu klären. Vermutlich ist die Kumulation von Schlafmangel, Lärm, Feinstaub, ungesunder Lebensweise und eingeschränkter Compliance (unregelmäßige Einnahme von Blutdruckmedikamenten etc.) plus die Aufregung des Turniers eine Konstellation, die sich in der Summe negativ auf die Herzgesundheit auswirkt".

Ende gut, alles gut: Sieg der eigenen Mannschaft senkt Herzinfarktrisiko 

Vorsichtig sollten vor allem Menschen sein, die bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden. "Blutdruckspitzen, Fastfood, Alkoholkonsum, Schlafmangel, vergessene Tabletten - das kann für vorgeschädigte Herzen eine Herausforderung sein", warnte Leistner in der Deutschen Ärztezeitung und riet zu einer konsequenten Medikamenteneinnahme. Die ärztliche Beratung sollte darauf abzielen, Betroffene zu motivieren, beispielsweise vor dem Public Viewing den Blutdruck zu messen und bei erhöhten Werten entsprechend zu reagieren.

Es sei auf jeden Fall besser, sich selbst sportlich zu betätigen, als sich vor dem Bildschirm oder der Public-Viewing-Wand zu verausgaben, meinte ein Kardiologenteam um Miguel Maturana von der University of Tennessee (Memphis/USA) 2021 in einem Übersichtsartikel in der Zeitschrift Current Problems in Cardiology. Es gebe aber Hinweise darauf, dass ein Sieg der eigenen Mannschaft das Herzrisiko senke.

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