Frühlingserwachen: Neue Forschung zeigt, wie echte Veränderung gelingt

Das Profil einer Frau, deren Haare aus einer Vielzahl von Blumen, Schmetterlingen und Marienkäfern bestehen.
Wenn die ersten Blumen sprießen, wächst die Sehnsucht nach Neubeginn. Die aktuelle Persönlichkeitsforschung zeigt, wie’s geht.

Als „echte Auferstehung“ und ein Stück „Unsterblichkeit“: So skizzierte der Schriftsteller Henry Thoreau die Jahreszeit Frühling. Für viele Menschen heute noch der Inbegriff für Neubeginn, im Sinne eines Befreiungsschlags und Wandels. 

"Oft steckt hinter dem Wunsch nach Veränderung ein gewisser Leidensdruck, betont Eva Asselmann, Professorin für Differentielle- und Persönlichkeitspsychologie an der „HMU Health and Medical University“,  Potsdam: „Krisen sind oft ein starker Katalysator. Ein Jobverlust, eine Trennung oder gesundheitliche Probleme führen dazu, dass Menschen ihr Leben hinterfragen. Vielleicht fühlen sie sich überfordert, festgefahren oder unzufrieden mit ihrem Leben – sei es beruflich, in Beziehungen oder auf persönlicher Ebene.“ Aber auch das diffuse Gefühl, dass „mehr“ möglich sein müsste, könne diesen Wandel antreiben.

Eine lächelnde Frau mit Brille und Blazer steht im Freien.

Eva Asselmann, Professorin für Differentielle und Persönlichkeitspsychologie

Tipps für Persönlichkeits-Re-Sets und Transformations-Challenges boomen jedenfalls, das birgt manche Gefahren:  „Soziale Medien und die Coachingszene verstärken das Bedürfnis, etwas verändern zu müssen. Überall sieht man Erfolgsgeschichten von Menschen, die ihr Leben radikal umgekrempelt haben – das kann motivieren, aber auch Druck erzeugen“, sagt Asselmann.  Außderdem sei es bedeutend, sich zu fragen, was wirklich notwendig und sinnvoll für den eigenen Weg ist: „Sich hier frei von vermeintlichen Zwängen und Erwartungen anderer zu machen, ist wichtig“, sagt Asselmann.  

Doch wie viel Veränderung ist denn überhaupt möglich, können Menschen ihre Persönlichkeit komplett umkrempeln und „anders“ werden? „Eine komplette 180-Grad-Wende ist selten – und weder notwendig noch sinnvoll. Aber gezielte Veränderungen sind definitiv möglich“, sagt Asselmann. Die Forschung zeige, dass sich unsere Persönlichkeit über die Lebensspanne hinweg durchaus verändern kann. „Die „Big Five“ – also die fünf zentralen Persönlichkeitsmerkmale –  sind zwar relativ stabil, aber nicht in Stein gemeißelt. Besonders Eigenschaften wie Offenheit für neue Erfahrungen oder emotionale Stabilität können sich mit der Zeit verändern – oft als Reaktion auf neue Herausforderungen, Erfahrungen oder gezielte persönliche Entwicklung.“

Realistische kleine Schritte

Die wichtigste Zutat in persönlichen Veränderungsprozessen ist Zeit. Ruckzuck geht gar nichts. „Wer an sich arbeiten möchte, sollte sich nicht darauf versteifen, dass das von heute auf morgen funktioniert. Es empfiehlt sich, kleine, realistische Schritte zu gehen und nachhaltige Gewohnheiten zu entwickeln“, so Asselmann. Und das geht in jedem Alter. „Es gibt viele Studien, die zeigen, dass selbst im hohen Alter noch persönliche Entwicklungen möglich sind.“ 

Die Haltung "Ich bin nun mal so“ lässt die Expertin für Persönlichkeitsentwicklung nicht gelten: „Sie ist zwar verständlich, aber oft  ein Selbstschutz. Sich als Opfer wahrzunehmen und anderen die Schuld zu geben, kann kurzfristig entlasten, blockiert  langfristig aber. Um selbst etwas zu verändern, müssen wir auch selbst Verantwortung für unser Handeln übernehmen.“ Veränderungen sind vor allem dann nötig und  sinnvoll, wenn bestimmte Verhaltensweisen   Schaden anrichten – bei sich selbst oder anderen. 

Die zentrale Frage lautet hier: Blockiert mich diese Haltung – oder schützt sie mich  vor unnötigem Veränderungsdruck? Immens hilfreich sei  es außerdem, den Fokus auf die eigenen Stärken zu lenken und diese gezielt auszubauen. Also Schwächen zu schwächen und Stärken zu stärken. Dass frühe Erfahrungen das Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen steht außer Zweifel, aber sie determinieren einen Menschen nicht. So betrachtet, stimmt der Gedanke, dass es für eine glückliche Kindheit  nie zu spät sei, denn, so Asselmann:  „Wir können auch später noch an uns arbeiten, selbst wenn die eigene Kindheit alles andere als rosig war.“  

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