Erste Pille zum Schlucken gegen Wochenbettdepression zugelassen

Erste Pille zum Schlucken gegen Wochenbettdepression zugelassen
Das Baby ist da, doch die Glücksgefühle bleiben aus. Neues Mittel soll bei Traurigkeit und Versagensängsten nach der Geburt helfen.

Von Carolin Kornfeld

Etwa 15 Prozent aller Frauen erkranken nach einer Geburt an einer postpartalen Depression. Neben gängigen Symptomen einer Depression wie Traurigkeit und Interessensverlust leiden sie oft unter ambivalenten oder negativen Gefühlen gegenüber ihrem Kind. Die Folge sind häufig Scham- und Schuldgefühle sowie Selbstvorwürfe. Durch die reduzierte Fürsorge der Mutter kann die Entwicklung des Kindes beeinflusst werden. Schlimmstenfalls kann es bei Betroffenen zu Zwangsgedanken kommen, sich selbst oder dem Baby etwas anzutun.

Die US-Amerikanische Arzneimittelbehörde FDA ließ kürzlich die erste orale Pille zu, die speziell für die Behandlung postpartaler Depression entwickelt wurde. Das Medikament namens Zurzuvae des Unternehmens Sage Therapeutics enthält ein synthetisches Hirnhormon, das zur Regulierung eines stimmungsbezogenen Neurotransmitters beiträgt.

"Der Zugang zu einem oralen Medikament wird für viele dieser Frauen eine nützliche Option sein, die mit extremen und manchmal lebensbedrohlichen Gefühlen zu kämpfen haben", sagte Tiffany Farchione von der FDA.

Rasche Wirkung

Die Tablette wird über zwei Wochen hinweg einmal täglich geschluckt. Ihre positive und schnelle Wirkung belegen zwei Studien mit rund 350 an postpartaler Depression erkrankten Frauen. Bei ihnen besserten sich die Symptome schneller und deutlicher als bei jenen, die ein Placebo erhielten. Die rasche Wirkung der Tablette ist vor allem für die ersten Tage nach der Geburt ein großer Vorteil, in denen Mütter die emotionale Bindung zu ihren Kindern aufbauen. Allerdings ist unklar, ob stillende Frauen das Medikament einnehmen dürfen. Für Schwangere ist es nicht empfohlen.

Eine postpartale Depression liegt dann vor, wenn die Symptome der Frau länger als zwei Wochen andauern und das Kind sich noch im ersten Lebensjahr befindet. Klingen die Symptome bereits nach einigen Stunden bis Tagen ab, spricht man hingegen von einer depressiven Verstimmung, dem sogenannten Babyblues.

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Mögliche Therapien

Die Hilfe für Betroffene kann im Rahmen stationärer Krankenhausaufenthalte stattfinden oder in psychotherapeutischer oder medikamentöser Form. Bisher wurden die Patientinnen, wenn sie Medikamente benötigen, mit etablierten Antidepressiva behandelt. Bei Verdacht auf eine postpartale Depression können sich Betroffene und ihre Angehörigen in Österreich an kostenlose Telefon- oder Onlineberatungsstellen wenden, etwa in Akut-Fällen an den Psychosozialen Dienst (01/313 30).

Zurzuvae wird ab Ende 2023 auf den amerikanischen Markt kommen, davor muss das Mittel noch weiter geprüft werden. Ob und wann es in Europa verfügbar sein wird, ist noch unklar. Das neue Medikament wird vor allem für die Behandlung schwerer postpartaler Depressionen als potenzieller Meilenstein gesehen.

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