Glaubt man dem Nutri-Score, können Nüsse tatsächlich gesünder sein als Fertigpizza.
Mit dem sogenannten Nutri-Score markieren manche Lebensmittelhersteller ihre Produkte mit einem Ampelsystem von A (dunkelgrün) bis E (rot). Je näher bei A, desto günstiger ist laut dem System das Nährwertprofil eines Lebensmittels.
Derzeit ist der Nutri-Score in österreichischen Supermärkten auf importierten Lebensmitteln zu finden, da in manchen Ländern Hersteller Produkte freiwillig kennzeichnen und nationale Behörden dies unterstützen. Das gilt für Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg und die Niederlande.
Hält Versprechen nicht
In Österreich gibt es bisher keine Vereinbarung. Und das soll so bleiben, finden Ernährungswissenschafter und Mediziner des österreichischen Gesundheitsvorsorge-Instituts Sipcan. Der Nutri-Score halte nicht, was er verspricht, so die Experten, die bisherige Studien zum Nutri-Score analysierten. "Die wissenschaftliche Datenlage zum Nutri-Score zeigt ein völlig anderes Bild als häufig in der Öffentlichkeit dargestellt. Denn die Ergebnislage zur Wirksamkeit und Anwendbarkeit in der Praxis ist viel schlechter als bisher angenommen", sagt Ernährungswissenschafter Manuel Schätzer.
Heißt konkret: Der Nutri-Score kann ein verzerrtes Bild davon liefern, was gesund ist und was nicht.
Der Nutri-Score wird anhand von 100 g oder 100 ml eines Lebensmittels berechnet – unabhängig von der üblichen Portion. Laut Schätzer ist die Portionsgröße aber ein wichtiger Faktor dafür, ob ein Lebensmittel als gesund gelten soll oder nicht. So können 100 g einer Fertigpizza mit einem grünen A bewertet sein, da ja nur die Menge der enthaltenen Nährstoffe bewertet wird. Für die ganze Pizza, die deutlich mehr ungünstige Nährstoffe enthält, geht sich das A nicht mehr aus. Umgekehrtes Beispiel: 100 g Ketchup erhalten ein rotes E, gegessen werden bei einer Portion aber nur rund 20 g.
2. Nicht vergleichbar
Der Nutri-Score unterschiedlicher Lebensmittel ist nicht vergleichbar, sondern nur innerhalb einer Produktgruppe. Das heißt: Es kann sein, dass 100 g naturbelassene Nüsse ein oranges D erhalten, während eine Fertigpizza mit einem grünen B gekennzeichnet wird. Allerdings vergleichen Konsumenten im Supermarkt auch zwischen Produktgruppen und könnten zu dem Schluss kommen, dass Nüsse ungesünder sind als Fertigpizza. Vergleichen ist nur innerhalb einer Produktgruppe sinnvoll – etwa bei Frühstückscerealien mehrerer Hersteller.
3. Kaum Verbesserung
Seit Einführung des Nutri-Scores hätten Hersteller kaum die Nährstoffzusammensetzungen ihrer Produkte verändert. Erwartet wurde, dass die Zusammensetzung verbessert wird, um einen besseren Score zu erreichen. Studien rechnen vor, wie viel Zucker oder Fett etwa in einem Produkt dafür reduziert werden müssen. Laut Sipcan konnte aber nur in einer Studie eine tatsächliche Verbesserung der Rezeptur bei Frühstückscerealien nachgewiesen werden.
4. Kaum Einfluss
Der Nutri-Score hat den Experten zufolge derzeit nur wenig Einfluss auf das Kaufverhalten. Bisherige Studien zeigen, dass mehr als 85 Prozent der Konsumenten ihr Kaufverhalten trotz einer Kennzeichnung am Produkt nicht ändern.
Berechnung
Ungünstige Nährstoffe eines verarbeiteten Lebensmittels erhalten Punkte: Etwa gesättigte Fettsäuren, Zucker oder Salz. Für die günstigen Nährstoffe wie Gemüse, Ballaststoffe oder Protein werden Punkte abgezogen. Je niedriger das Endergebnis, desto besser das Nährwertprofil.
Weitere Scores
Manche Länder verwenden zusätzliche Kennzeichnungen auf Verpackungen, manche nährstoffbezogen, andere beziehen sich auf Auswirkungen auf die Gesundheit.
Neues System gefordert
Bisher wurden zudem Süßstoffe in Getränken positiv bewertet – dies wird gerade überarbeitet. Ernährungswissenschafter Schätzer spricht sich für die Entwicklung eines neuen Systems aus. "Bis ein passendes entwickelt wird, ist es immer noch am sinnvollsten die Nährwerttabellen und Zutatenlisten auf den Produktverpackungen zu vergleichen."
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