KURIER: Warum will eine gestandene Schulmedizinerin – Psychiaterin und Hirnchirurgin – Schamanismus in die moderne Medizin integrieren? Wie passt das zusammen?
Iris Zachenhofer: Ich habe in der Schulmedizin viele Fälle gesehen, wo wir Menschen über Jahre behandeln und keinen Erfolg sehen. Der Ansatz der Schamanen-Therapie ist, im Miteinander etwas verbessern zu können. Da sollten wir die Arroganz ablegen, dass wir als Einzige die Wahrheit haben.
In der Schulmedizin sind wir an einem Punkt, wo uns die Zeit für die Patienten fehlt. Vieles wird symptomatisch behandelt, wo der Patient nicht weiß, wie es weitergeht und herumirrt. Das Gesamtbild wird nicht mehr gesehen. Die Menschen suchen unter anderem deshalb nach etwas anderem, nach Ergänzendem aus der Komplementärmedizin oder setzen überhaupt auf Naturheilkunde. Ich glaube, in den Menschen ist derzeit ein großes Bedürfnis nach anderen Zugängen.
Haben Sie keine Sorge, dass Ihre medizinische Kompetenz angezweifelt wird, wenn Sie mit einer Schamanin zusammenarbeiten?
Ich erlebe es eher so, dass die Menschen eher überrascht sind, weil ich an sich ein sehr bodenständiger Mensch bin. Das macht sie neugierig. Ich glaube, man muss es nach den eingetretenen Effekten und Ergebnissen, die ja tatsächlich da sind, beurteilen. Das muss ja auch ich als Schulmedizinerin eingestehen. Das Wichtigste ist, dass wir uns manches vielleicht nicht erklären können – aber wir sehen die Erfolge. In vielen Kulturen ist es auch heute noch völlig normal, zum Schamanen zu gehen und nicht zum Arzt. Das sind uralte Traditionen des Heilens. Wir planen im Spital, wo ich arbeite, eine Studie. Eine Gruppe soll zusätzlich schamanische Unterstützung erhalten. Wir wollen schauen, wie sich das auswirkt.
Aber kann das für eine studierte Medizinerin wirklich ausreichen – ein Kontakt von einer Stunde?
Bei mir hat dieses Erlebnis eher etwas ausgelöst, mein Weltbild revidiert hat es nicht sofort. Ich habe begonnen, Studien zu suchen und Bücher zu lesen. Ich will immer zuerst die Fakten sehen, zum Beispiel ordentlich gemachte wissenschaftliche Studien. Ich sehe aber auch, dass man vielen helfen kann, über die Schulmedizin hinaus. Mit dem Buch wollen wir Informationen bieten.
Was wollen Sie da vermitteln?
Gerade in unserem westlichen Denken sind Schamanen eher negativ besetzt, in anderen Kulturen ist man da offener. Schamanismus ist eine uralte Heilmethode. Das hat nichts mit Tischerlrücken oder Esoterik zu tun. Ich erlebe oft, dass mir jemand von esoterischen Anwendungen erzählt, wenn sie hören, dass ich mit einer Schamanin zusammenarbeite. Ich will das gar nicht hören, ich interessiere mich überhaupt nicht für Esoterik. Es wäre gefährlich, einen Tumor nur schamanisch zu behandeln. Das macht Andrea Kalff auch nicht. Ein Tumor gehört medizinisch abgeklärt und therapiert. Ich glaube, in der Kombination kann man mehr helfen.
Was ist eigentlich ein Schamane? Kann man das erkennen?
Schamanen muss man nichts über sich erzählen, die sehen alles in ihrem Gegenüber. Andrea Kalff beschreibt das mit einem Röntgenblick. Es wird viel Schindluder getrieben. Im Internet kommt man schnell auf schamanische Ausbildungen etc. Das ist Unfug. Man kann keine Ausbildung zum Schamanen absolvieren, das kann man nicht lernen. Man wird von anderen Schamanen erkannt und initiiert.
Wenn Andrea Kalff sagt, sie stehe mit ihren speziellen Geistern in Kontakt, die ihr Empfehlungen zur Rat suchenden Person geben, klingt das mit Verlaub aber auch unwissenschaftlich.
Ich kann Zweifel gut nachvollziehen. Auch wenn das komisch klingen mag, es scheint so zu sein. Ich habe die Erfolge ja gesehen. Ich sehe, was mit den Menschen passiert, und das kann ich als Ärztin beschreiben.
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