Delta mutiert zum UEFA-Virus: Dutzende Fans stecken sich in Stadien an
Die Gesundheitsbeauftragte von Queensland sprach angesichts der rasanten Übertragung in einem australischen Einkaufszentrum von "flüchtigen Momenten": Statt 15 Minuten um eine weitere Person anzustecken, braucht ein Delta-Infizierter nur noch fünf bis zehn Sekunden, um eine andere Person anzustecken.
Dass die Delta-Variante leichter übertragbar ist - eine infizierte Person steckt bis zu sieben weitere an, bei der Alpha-Variante sind es drei bis fünf Personen -, zeigen zahlreiche Meldungen aus den austragenden EM-Ländern.
Erst heute Freitag wurde bekannt, dass dutzende finnische EM-Fans sich in Russland mit dem Coronavirus angesteckt haben.
86 Corona-Infektionen wurden bisher bei Personen nachgewiesen, die zuletzt über die Landesgrenze zu Russland nach Finnland zurückgekehrt sind. Finnland hatte am Montag sein drittes EM-Gruppenspiel gegen Belgien in St. Petersburg bestritten.
Dabei seien noch nicht alle an der Grenze gemachten Corona-Tests analysiert worden. Rund 800 weitere seien zudem ohne Test eingereist, weil die Testkapazitäten an der Grenze nicht ausgereicht hätten. Es wird deshalb mit einem weiteren Anstieg gerechnet.
Die finnische Gesundheitsbehörde THL wies Russland-Rückkehrer darauf hin, sich maximal 72 Stunden nach der Reise testen zu lassen und Kontakte in der Zwischenzeit zu vermeiden.
Auch vom Spiel Dänemark gegen Belgien in Kopenhagen, ist bekannt, dass sich mehrere Fans infizierten: Der dänische Gesundheitsminister Heunicke und die Behörde für Patientensicherheit forderten deshalb 4.000 Zuschauer aus sechs bestimmten Stadionblöcken dazu auf, einen PCR-Test machen zu lassen.
Was Delta so gefährlich macht
Die Mutationen der neuen SARS-CoV-2-Variante bringen ihr echte "Fitness"-Vorteile: Sie kann sich wesentlich schneller ausbreiten als alle bisher bekannten Varianten.
Zudem kann sie sich in einer teilweise geimpften Bevölkerung besser ausbreiten, weil sie wegen ihrer Immunfluchtmutationen den durch nur eine erste Impfdosis erzeugten Antikörpern entkommen kann. Britische Daten zeigen, dass die höhere Viruslast für deutlich mehr Klinikeinweisungen verantwortlich ist.
Mehrere Studien zeigten, dass nur ein doppelter Impfschutz (bei jenen Impfstoffen, für die es zwei Dosen braucht) ausreichend gegen Delta schützt.
Laut einer Studie der Regierungsbehörde Public Health England (PHE) schützt der Impfstoff von Biontech/Pfizer demnach zwei Wochen nach der zweiten Dosis mit 88-prozentiger Effektivität gegen eine Erkrankung durch B.1.617.2., verglichen mit 93 Prozent bei der britischen Variante.
Bei Astra Zeneca liegt der Effekt gegen eine Erkrankung durch B.1.617.2 bei 60 Prozent, verglichen mit 66 Prozent bei B.1.1.7.
Der Schutz gegen schwere Erkrankungen liegt aber jeweils über 90 Prozent.
Geisterspiele in London oder andere Austragungsländer?
Aber nicht nur die Übertragung in Stadien ist ein Thema: Angesichts rasant steigender Corona-Zahlen in Russland wurde die Fan-Zone der Fußball-Europameisterschaft in der Hauptstadt Moskau geschlossen.
Seit Tagen wird in Deutschland darüber diskutiert, ob die EM wie geplant in London enden soll oder ob der Austragungsort gewechselt wird. In der englischen Hauptstadt finden am 26. und 29. Juni zwei Achtelfinalspiele statt, zudem sollen im Wembley-Stadion beide EM-Halbfinale (6. und 7. Juli) sowie das Finale (11. Juli) ausgetragen werden.
Der bekannte Virologe und deutsche SPD-Politiker Karl Lauterbach warnte angesichts der weltweit steigenden Delta-Infektionszahlen vor Spielübertragungen jenseits des Kanals.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich gegen vollbesetze EM-Stadien in Großbritannien aus und mahnte die Europäische Fußball-Union (UEFA) zu verantwortungsvollen Entscheidungen.
Merkel betonte, nachdem Großbritannien Virusvariantengebiet sei, müsse jeder, der von dort nach Deutschland zurückkomme, 14 Tage in Quarantäne - mit ganz wenigen Ausnahmen.
Die UEFA berichtete, dass der Druck seitens europäischer Politiker steige: "Es gibt immer einen Notfallplan, aber wir sind zuversichtlich, dass die letzte Woche in London stattfinden wird", teilte die UEFA mit.
Laut Weltärztebundchef Frank Ulrich Montgomery bestünde in der momentanen Lage die Gefahr, dass Fans das Virus nach Deutschland mitbringen, weil nicht klar sei, wie konsequent die Quarantäne-Vorschriften eingehalten würden.
"Wer noch nicht geimpft ist, für den wäre es völlig verantwortungslos, nun nach Großbritannien zu fahren. Diejenigen gefährden sich und andere", mahnte Montgomery.
Delta-Anteil nimmt auch in Österreich zu
Nach Ansicht von Montgomery sollten EM-Begegnungen in der englischen Hauptstadt wegen der rasant ansteigenden Inzidenzzahlen nur noch ohne Publikum stattfinden. Eine Alternative dazu sei die Verlegung der geplanten Partien in eine Stadt, wo man sicher sein könne, dass im Stadion auf Abstände geachtet werde.
Wie tausende Fans auf solch eine Entscheidung reagieren würden, ist nicht absehbar.
Österreich spielt am Samstag im Londoner Wembley-Stadion im Achtelfinale gegen Italien. Laut derzeitigem Stand können österreichische Fans aufgrund der Corona-Einschränkungen nicht nach London reisen.
Hierzulande dürfte der Anteil von Neuinfektionen mit der neuen Virusvariante (ursprünglich indische Variante) bei rund 25 Prozent liegen. In wenigen Wochen könnte die Delta-Variante zu 90 Prozent das Fallgeschehen dominieren.
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