Coronavirus: Welche Rolle spielen die Augen als Eintrittspforte?

Coronavirus: Welche Rolle spielen die Augen als Eintrittspforte?
Augenärzte geben vorläufige Entwarnung: Für den Eintritt oder Austritt des Virus scheinen sie keine große Rolle zu haben.

Können sich Menschen auch über die Bindehaut oder Tränenflüssigkeit mit SARS-CoV-2 infizieren? Und inwiefern könnten mit dem Coronavirus infizierte Patienten andere Menschen über ihre Tränen anstecken? Derartige Übertragungswege wurden in den vergangenen Wochen immer wieder diskutiert - "und würden erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben und weitere Schutzmaßnahmen notwendig machen", sagte Freitag Clemens Lange, Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg. Es gebe vereinzelt Studien, die auf eine solche Übertragungskette hinweisen.

So hatten in Untersuchungen etwa sieben Prozent der Covid-19-Patienten subjektive Augenbeschwerden. Bei etwa einem Prozent wurden Zeichen einer Bindehautentzündung (Konjunktivitis) beobachtet. "Einige Studien postulieren, dass das Virus in diesen Fällen das Auge als Eintrittspforte genutzt habe", sagt Lange. Auch wird der Tränenfilm als ein möglicher Überträger diskutiert. "Reibt man sich beispielsweise die Augen mit Covid-19-kontaminierten Händen, wäre eine Übertragung auf die Nasenschleimhaut oder die Atemwege denkbar“, so Lange. Umgekehrt könnten infizierte Patienten das Virus über ihre Tränenflüssigkeit auf gesunde Menschen übertragen.

Doch am derzeit stattfindenden Online-Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft wurde jetzt Entwarnung gegeben:  "Betrachtet man abschließend die derzeitige Studienlage, weist jedoch nichts darauf hin, dass wir die Augen als bedeutsame Eintritts- oder Austrittspforte des Virus betrachten müssen", stellte Lange am Freitag in einer Aussendung fest. Ein Zusammenhang mit der in Studien beobachteten Bindehautentzündung bei der Covid-19-Erkrankung kann bislang nicht eindeutig ermittelt werden.

"Es könnte sich auch um ein SARS-CoV-2 unabhängiges Phänomen handeln, das zum Beispiel im Zuge einer intensivmedizinischen Behandlung oder der generalisierten Entzündungsreaktion im Körper von Covid-19-Patienten auftritt“, erklärt Lange. Darüber hinaus sei noch nicht eindeutig geklärt, ob die Zellen der Augenoberfläche, wie zum Beispiel die der Bindehaut, den SARS-CoV-2-Rezeptor ACE2 - an diesen docken die Viren an -  in klinisch relevantem Maße aufweisen und damit für eine Infektion anfällig sind. Eine aktuelle Untersuchung an der Universitäts-Augenklinik Freiburg sowie Gewebe-Untersuchungen anderer Kliniken haben weder eine wesentliche Expression von ACE2 in der Bindehaut noch einen Zusammenhang zwischen einer COVID-19-Infektion und einer Bindehautentzündung nachweisen können.

Kein Risiko durch Tränenflüssigkeit

Auch sei der Übertragungsweg über die Tränenflüssigkeit eher unwahrscheinlich. "Der regelmäßige Lidschlag des Auges sowie die geringe Augenoberfläche dürften verhindern, dass ausreichend Viren ins Auge gelangen können", so Lange. Und dazu, ob Infizierte über ihre Tränen gesunde Menschen anstecken könnten, gibt es auch keine eindeutigen Hinweise: "Bei Patienten mit COVID-19-Erkrankung enthält der Tränenfilm nur sehr selten Virus-RNA", erklärt Lange. Eine Ansteckung über die Tränenflüssigkeit sei daher auch erst einmal auszuschließen.

"Obwohl wir derzeit eher keine Infektion über das Auge befürchten müssen, sind weitere Untersuchungen notwendig, um Aufschluss über die tatsächliche Infektiosität und mögliche Orte der Virusvermehrung zu erhalten", betont Hans Hoerauf, Präsident der DOG und Direktor der Augenklinik der Universitätsmedizin Göttingen. Es sei Klinikpersonal trotz des offenbar geringen Risikos dringend anzuraten, bei einer intensivmedizinischen Versorgung von an Covid-19 Erkrankten die Augen durch eine Brille vor einer Übertragung des Coronavirus zu schützen.

"Alles in allem betrachtet, dürfte bei augenärztlichen Untersuchungen von Aerosolen aus den Atemwegen ein deutlich höheres Infektionsrisiko mit Covid-19 ausgehen als von Tränenfilm und Augenoberfläche der Patienten", resümiert Lange.

Kommentare