Virologe Krammer: "Eine Pandemie kann jederzeit wieder passieren"

Das Foto zeigt Illustrationen des neuen Coronavirus SARS-CoV-2
Ein neues Boltzmann Institut soll künftige Gesundheitskrisen frühzeitig erkennen und die Bevölkerung in die Forschung einbinden.

Sechs Pandemien - also einen weltweit verbreiteten Ausbruch einer Krankheit - gab es in den vergangenen 100 Jahren: Vier Influenza-Pandemien, die anhaltende HIV/Aids-Pandemie und die Covid-19-Pandemie. Zusätzlich gab es verheerende Ausbrüche von Cholera und Ebola. 

"Wissenschaftlich gesichert kann man nicht sagen, wann die nächste Pandemie kommt", sagte der Virologe Florian Krammer Mittwochnachmittag bei der Präsentation des neuen Ludwig Boltzmann Instituts für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge in Wien. Es ist an der Medizinischen Universität Wien angesiedelt. "Man muss damit rechnen, dass das jederzeit wieder passieren kann." Einen kurzen Abstand gab es zwischen den Influenza-Pandemien 1957 und 1968. 

Welche Faktoren Pandemien begünstigen

Es gebe Faktorren, die zur Beschleunigung solcher Ausbrüche beitragen: "Der Klimawandel, das Bevölkerungswachstum, mehr Landwirtschaft. Auch die internationale Mobilität ist ein Faktor, der das vorantreiben kann."

Auch könne man nicht vorhersagen, um welchen Erreger es sich handeln werde. Da aber von den letzten sechs Pandemien vier durch Influenza-Viren ausgelöst wurden "könnte man vielleicht spekulieren, dass die Wahrscheinlichkeit für Influenza höher ist".  

Krammer betonte aber auch, dass sich Gesellschaften gut auf solche Ausbrüche vorbereiten und auch versuchen können, manche davon durch bessere Gegenmaßnahmen zu verhindern. „"Genau daran arbeiten wir an unserem Institut." 

Das Bild zeigt den Virologen Florian Krammer, der das Ludwig Boltzmann Institut für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge leitet.

Der Virologe Florian Krammer leitet das Ludwig Boltzmann Institut für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge.

Dieses will wesentlich dazu beitragen, Ausbrüche von Krankheiten frühzeitig zu erkennen und ihre Ausbreitung wirksam zu verhindern. Ein Schwerpunkt sind dabei Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden können. So sollen Krankheitserreger aufgespürt werden, die von Tieren wie Ratten, Vögeln oder Stechmücken auf Menschen übertragbar sind. Mögliche Gesundheitsrisiken sollen frühzeitig identifiziert und Maßnahmen dagegen entwickelt werden. Das reicht von Informationskampagnen für Risikogruppen über Empfehlungen zu Verhaltensänderungen bis hin zur Entwicklung neuer Impfstoffe und Therapien.

Gleichzeitig soll die Bevölkerung von Beginn an aktiv in die Erforschung von Krankheitserregern und die damit verbundene Wissenschaftskommunikation einbezogen werden. So gibt es einen mobilen Laborkoffer, der bereits in New York im Einsatz war. Schulklassen haben damit im Central Park Proben von Vogelkot gesammelt, die anschließend auf Viren untersucht wurden. „Wenn wir bereits junge Menschen in echte Forschung einbinden, springt der Funke über – zu ihren Familien, ihren Schulen und am Ende zu ganzen Gemeinschaften. Das wollen wir auch in Österreich“, sagte Krammer.

"Katzenprojekt": Tote Beutetiere als Untersuchungsobjekte

Wobei es ein Anliegen des Teams an Forschenden unterschiedlicher Disziplinen ist, besonders auch bisher an Wissenschaft wenig interessierte Menschen für die Infektionsforschung zu interessieren. Eines der vielen geplanten Projekte wird das sogenannte "Katzenprojekt" sein: "Es wird sich an Katzenbesitzer richten, deren Katzen tote Nagetiere und Vögel nach Haus bringen. Wir würden diese dann gerne abholen, sezieren und auf alle möglichen Krankheitserreger testen." Die Katzenbesitzer werden über die Testergebnisse informiert: "Vielleicht sind sie zwar nicht an Viren, aber doch an der Gesundheit ihrer Katze interessiert"

Basis der Demokratie

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner unterstrich, dass verlässliche Informationen Basis einer starken Demokratie sind: „Deshalb stärken wir nicht nur die Forschung selbst, sondern auch das Vertrauen in sie. Denn nur wenn Wissenschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten, können wir das Gesundheitsniveau erhöhen und unsere Demokratie stark halten.“

"Eine Art Schutzschirm"

Das neue Institut solle Wissenschaft mitten in die Gesellschaft bringen, betonte Freyja-Maria Smolle-Jüttner, Präsidentin der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Es verbinde Spitzenforschung mit aktiver Bürgerbeteiligung und schaffe damit ein Modell, das weit über die Landesgrenzen hinausstrahle. "In dem Vögel, Ratten, Mäuse oder Stechmücken kontinuierlich übergewacht werden, wird ein Schutzschirm über die Stadt ausgebreitet." Das sei auf diese Weise noch nirgendwo in der Welt geschehen: "Es handelt sich um ein Leuchtturmprojekt, ein Modell auch für andere Metropolen, sie sicherer zu machen."

Auch die Wiener Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler sieht in dem Institut ein starkes Zeichen für eine Wissenschaft, die Menschen einbezieht und verständlich bleibt. 

Die Vizerektorin für Forschung der MedUni Wien, Michaela Fritz, sagte: „Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse transparent und verständlich kommuniziert werden, können sie ihre gesellschaftliche Wirkung entfalten und Begeisterung für Forschung entfachen.“ Das neue Institut stärke die Infektionsforschung in Wien und ganz Österreich.

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