4 Kilogramm oder mehr: Wenn das Baby bei der Geburt viel zu groß ist

Ein makrosomisches Baby ist ein Neugeborenes, das deutlich größer und schwerer als der Durchschnitt ist — oft mit einem Geburtsgewicht von mehr als 4.000 bis 4.500 Gramm
Als Felix endlich geboren war, wirkte er auf dem Arm seiner Mutter Ruth wie ein drei Monate altes Kind – und nicht wie ein Neugeborenes. Mit fast 5.300 Gramm und 60 Zentimeter Körperlänge "passte er in keine Säuglingskleidung", erinnert sich seine Mama. Die Geburt war anstrengend: "Es wurde sehr hektisch, weil sich nichts mehr getan hat."
Nur dank reichlich Unterstützung kam Felix unversehrt und ohne Kaiserschnitt auf die Welt. Er war makrosom, ein sehr großes Baby also.
Tendenz zu großen Kindern steigt
Eine einheitliche Definition der fetalen Makrosomie, so der medizinische Fachbegriff für das Phänomen, gibt es nicht. Häufig spricht man bei einem Geburtsgewicht von über vier Kilogramm von makrosomen Kindern. "Das ist die meist akzeptierte Definition", sagt auch Markus Schmidt. Er sitzt im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und leitet die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in den Sana Kliniken Duisburg. Im Gespräch erklärt er, welche Probleme die Größe des Kindes mit sich bringen kann und wie Frauen sich bestmöglich vorbereiten können.
Die sogenannte Perzentile kann ein Indikator für Makrosomie sein. Ungefähr jedes zehnte Baby wiege bei der Geburt über vier Kilogramm, sagt Schmidt. Das entspräche somit der 90. Perzentile. Sprich: 90 Babys sind durchschnittlich bei der Geburt kleiner. Die Tendenz zu großen Kindern steigt momentan stetig: "Die Kurve verschiebt sich, denn die Hauptrisikofaktoren nehmen zu." Neben genetischen Veranlagungen – große Eltern bekommen häufig große Kinder – hängt die fetale Makrosomie besonders mit Adipositas und (Schwangerschafts-)Diabetes zusammen.
Der Anteil an Frauen, die hiervon betroffen sind, wächst und führt dadurch zu mehr großen Babys. Auch das zunehmende Alter der werdenden Mütter spielt eine Rolle. Je älter, desto wahrscheinlicher kann eine Makrosomie sein. Kann, muss aber nicht.
Von Spätfolgen betroffen sind eher die dickeren Babys
Ruth war bei der Geburt von Felix Anfang 30. Auf Diabetes sei sie damals auch untersucht worden, doch der Test fiel negativ aus. "Ich war auch nie übergewichtig", sagt sie. Sie führt die Körpermaße ihres Sohnes auf die Veranlagungen zurück, denn beide Elternteile seien recht groß gewachsen. "Auch Felix war einfach nur immer zu groß für sein Alter, dabei aber eher schlank."
Felix leide auch an keinen Spätfolgen, wie sie bei makrosomen Babys auftreten können. Hierbei seien auch eher Kinder betroffen, deren Mütter an Adipositas oder Diabetes erkrankt sind, sagt Schmidt. Der erhöhte Blutzuckerspiegel übertrage sich auf das Baby im Mutterbauch, das den Zucker dann aufnehme. "Makrosome Kinder haben daher später ein höheres Risiko, selbst fettleibig zu werden." Auch Herz- oder Diabetes-Erkrankungen seien möglich.
Von Spätfolgen seien aber weniger die genetisch-makrosomen Neugeborenen betroffen, also die langen und schlanken, sondern vielmehr die "unproportionalen", sagt Schmid. Hiermit meint der Facharzt die Abweichung von der sonst üblichen Kopf-Bauch-Proportion – salopp gesagt also die dickeren Babys. "Diese Kinder stellen uns auch geburtstechnisch eher vor Probleme."
Proportionen wichtiger als Gewicht
So steigt bei unproportional makrosomen Babys das Risiko einer Schulterdystokie. "Das bedeutet, dass die Schulter bei der Geburt nicht ins Becken eintritt.“ Kommt es dazu, ist Vorsicht geboten. „Das Falscheste ist, in solch einem Fall am Kopf zu ziehen oder zu drücken", erklärt der Experte. Denn dadurch könnte das Kind Nervenschäden oder Knochenbrüche erleiden. Auch für eine Saugglocke oder Kaiserschnitt sei es zu spät.
Stattdessen gibt es mehrere Methoden, die das medizinische Personal anwenden könnte. "Das ist nichts Schlimmes und unser 'täglich' Brot", gibt Schmidt Entwarnung. Sowieso kämen die meisten dieser Zwischenfälle bei nicht makrosomen Neugeborenen vor.
Eine Makrosomie kann vor der Geburt mittels Ultraschall ermittelt werden. Anhand des Kopf- und Bauchumfangs sowie der Länge des Oberschenkelknochens wird die Größe des Kindes berechnet. Doch das seien Schätzwerte, mahnt Schmidt. Bei übergewichtigen Schwangeren könne es Abweichungen bis zu 15 Prozent, bei normalgewichtigen Müttern bis zu zehn Prozent geben. Es gilt: "Abgerechnet wird zum Schluss." Das weiß auch Ruth. "Felix ist auf über vier Kilogramm geschätzt worden, nicht über fünf", erzählt sie.
Bei Laura, die im August 2024 einen Sohn auf die Welt brachte, war es umgekehrt. "Beim zweiten großen Ultraschall wurde er schon über eineinhalb Wochen größer geschätzt", erzählt sie. Der Verdacht auf eine Makrosomie habe sich mit jeder Untersuchung erhärtet. Die Ärzte erwarteten ein Geburtsgewicht von über vier Kilogramm. Auf die Welt kam ihr Sohn jedoch mit 3.780 Gramm.
Gesunde Lebensweise kann Makrosomie verhindern
Nachfolgende Blutuntersuchungen wiesen auf eine Schwangerschaftsdiabetes hin. Sie stellte daher ihre Ernährung um, hielt sich an die Ratschläge ihrer Diabetologin. Aufgrund der erwarteten "Riesengeburt" entschloss sich Laura auf Rat ihres Arztes für einen Kaiserschnitt. "Ich hätte lieber eine natürliche Geburt gehabt." Dass ihr Sohn am Ende auch gar nicht makrosom sei, kam überraschend. Wichtiger sei: "Er entwickelt sich top und sogar sehr schnell."
Zu Bewegung und einer generell kohlenhydratarmen Ernährung rät auch Schmidt. Eine gesunde Lebensweise könne eine Makrosomie verhindern oder einschränken. Die meisten sportlichen Hobbys dürften Mütter auch dann noch ausüben, wenn ein Kind im Bauch heranwächst. Nur auf riskante Aktivitäten sollte man besser verzichten.
Wächst das Baby trotz aller Bemühungen weiter, ist eine vorzeitige Einleitung der Geburt eine Möglichkeit, Komplikationen vorzubeugen. "Das hat aber Vor- und Nachteile und sollte individuell besprochen werden", so der Facharzt.
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