Historische Aufzeichnungen würden belegen, dass Menschen rund ums Jahr 1900 viel langsamer atmeten als heute – und zwar im Durchschnitt sechs volle Atemzüge pro Minute machten. Das bedeutet umgelegt: fünf Sekunden einatmen, fünf Sekunden ausatmen. Ständig. "Das wäre auch das Optimum für unser Nervensystem", so Meierzedt.
Die Realität sieht aber anders aus: Heute liegt die durchschnittliche Ruheatmung eines Erwachsenen bei 15 bis 25 Atemzügen, also beim bis zu Vierfachen. "Ursache dafür sind Lebensstil, Leistungsdruck, innerer Stress, ständig funktionieren zu müssen", weiß der Experte.
Entspannung oder EnergieBreathwork könne Entspannung bringen, es beeinflusse das Nervensystem, die Körpermechanik und den Stoffwechsel.
Die Auswirkungen wurden auch in verschiedenen Studien untersucht. So belegte etwa eine solche, dass bei Meditation und Atemarbeit das so genannte "Default Mode Network" des Gehirns (aktiviert etwa bei intro-spektiven Aufgaben und Selbstreflexion) wirkt. Die Aktivität dieser Hirnregion bei Personen, die regelmäßig Atemarbeit praktizieren, nahm ab, was grob übersetzt dazu führt, dass weniger nachgedacht ergo gegrübelt wird – und dadurch mehr Raum für Entspannung entsteht.
In einer anderen Untersuchung wurde darüber hinaus die erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensystems festgestellt, das den Körper auf körperliche und geistige Leistungen vorbereitet. Denn die Wirkung von Atemarbeit geht in zwei diametrale Richtungen: Entspannung – aber auch Energie. "Bei Müdigkeit hilft es etwa, fünf schnelle und volle Atemzüge zu nehmen", so Meierzedt. "Dadurch ändert sich der pH-Wert im Blut, es wird kurzfristig Energie frei und das macht wacher und fokussierter."
Transformationseinheiten
Doch Breathwork hat noch eine weitere Seite – es wirkt nicht nur auf den Körper, "sondern ganz besonders auf Geist und Seele". Alte belastende Themen und Lebenserfahrungen setzen sich über die Jahre im Körper fest, sagt Meierzedt, sie können durch Atemarbeit transformiert werden.
Dafür würde sich geführte Sessions anbieten, im Ausmaß von ein bis zwei Stunden. "Man muss dabei nichts verstehen oder analysieren, es geht vielmehr darum, über intensive Atmung Energie in den Körper zu bringen. Dadurch kommen Bilder, Gefühle und Erinnerungen, die noch nicht verarbeitet sind, ins Bewusstsein." Durch das erneute Durchleben und Durchatmen würden sie "fertigverdaut und die Spannung im Hintergrund gelöst."
Nicht selten ist dieses Atmen sehr tiefgreifend und sollte daher unbedingt von Experten geleitet werden. Auch die Abklärung der individuellen psychischen Situation im Vorfeld ist wesentlich – wie auch des körperlichen Zustands. Kritiker weisen darauf hin, dass Traumatisierungen, Persönlichkeitsstörungen und generell psychische Leiden durch negative Erfahrungen während der Atemarbeit verstärkt werden könnten. So wird etwa Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schwangeren generell abgeraten. (Anm.: Besprechen Sie also zuvor mit dem Arzt, ob Sie Breathwork praktizieren sollten).
Für alle, die nicht ganz so weit ins Bewusstsein vordringen wollen, kann Atemarbeit der kleine Helfer des Alltags sein. "Es geht darum, über den ganzen Tag hinweg richtig zu atmen", sagt Meierzedt, "und das ist sanft und ruhig durch die Nase. Der Mund ist zum Essen da, die Nase zum Atmen. Auch beim Sport. Und das gilt auch für die Nacht." Und wer im Auto an der Ampel steht, kann es mit einem tiefen, ruhigen und bewussten Atemzug in den Bauch versuchen, "dabei in den Körper hineinspüren". Das bewege das Zwerchfell und aktiviere den Vagusnerv – also unseren Selbstheilungsnerv. Das wiederum habe einen entkrampfenden Effekt, etwa auf das Herz, und wirke beruhigend. Na dann, eins, zwei, atmen, los.
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