Antibiotika: Warum ein resistenter Keim jetzt für Beunruhigung sorgt

Antibiotika: Warum ein resistenter Keim jetzt für Beunruhigung sorgt
WHO und EU sehen in der Ausbreitung widerstandsfähiger Erreger eine große Bedrohung. Dabei alarmiert ein Bakterium die Fachleute besonders.

„Jetzt lass dir doch endlich ein Antibiotikum verschreiben, du bist doch schon seit drei Tagen krank.“ Sagen die Angehörigen. – „Lassen Sie sich doch endlich ein Antibiotikum verschreiben, damit Sie bald wieder in die Arbeit kommen können.“ Sagt der Arbeitgeber. – „Ja du meine Güte, die zwei Ärzte vor mir haben Ihnen kein Antibiotikum verschrieben?“ Das sagt der dritte konsultierte Arzt – und verschreibt das Medikament.

Diese Erfahrungen schilderte die langjährige Landärztin Susanne Rabady – Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) – kürzlich bei der Veranstaltung „Wenn Antibiotika nicht mehr wirken. Resistenzen als globale Gefahr“. Sie wurde von der Uniqa-Versicherung und der Karl Landsteiner Gesellschaft initiiert.

Antibiotika: Warum ein resistenter Keim jetzt für Beunruhigung sorgt

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt seit vielen Jahren vor resistenten Bakterien.

Die Unempfindlichkeit von krankheitserregenden Bakterien gegen diese Medikamente „ist so etwas wie eine stille Pandemie“, betonte Birgit Willinger, Leiterin des Laborbereichs von AKH und MedUni Wien: „Sie ist lange nicht so explosiv und nicht so laut wie Covid. Aber die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt die Antibiotikaresistenzen zu den häufigsten und gefährlichsten Bedrohungen unserer Gesundheit.“

Denn in Europa sterben im Jahr „zirka 35.000 Menschen, wenn nicht sogar noch mehr, an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen. Das entspricht der Anzahl der Passagiere auf 13 Kreuzfahrtschiffen“. Der Großteil dieser Infektionen passiert im Spitalsbereich. In Österreich sieht es deutlich besser als in vielen anderen Ländern aus. Laut Schätzung der EU-Gesundheitsbehörde ECDC starben 2020 hierzulande 266 Personen durch Antibiotika-Resistenzen – der niedrigste Wert in fünf Jahren. Auch die Zahl der Infektionen (2020 geschätzt 6.072) ging zurück.

„Die Situation ist nicht so schlecht, aber ich glaube auch, dass einiges nicht erfasst wurde“, so Willinger zum KURIER. Und: „Das Szenario, vor dem wir uns fürchten, ist, dass diese multiresistenten Bakterien weiter zunehmen.“ Auch wenn andere Regionen, besonders Afrika und Asien, aber auch Süd- und Südosteuropa, viel höhere Resistenzraten haben: „Reisende bringen diese Erreger nach Österreich mit: Sie müssen selbst keine Beschwerden haben, können die Infektion aber weitergeben.“

„Gewaltiger Anstieg“

Die EU-Behörde ECDC berichtet von einer Zunahme von Infektionen durch Darmbakterien (Escherichia coli), die das Enzym NDM-5 produzieren. Dieses macht die wichtigsten Reserveantibiotika – die Carbapeneme – und auch andere Antibiotika unwirksam. Willinger: „Seit 2012 sehen wir international einen gewaltigen Anstieg der Infektionen durch diesen resistenten Erreger.“ In Österreich sind vier Fälle bekannt – alle in Zusammenhang mit Auslandsreisen. „Wir müssen uns bewusst sein, dass das auch bei uns zum Problem werden kann.“

So sei Frankreich bereits stark betroffen und durch die internationale Reisetätigkeit sei eine weitere Ausbreitung zu befürchten.

Rabady betont, dass es im niedergelassenen Bereich eine große Hilfe wäre, würden nicht nur Corona-Schnelltests, sondern auch andere Vor-Ort-Tests bezahlt werden: Etwa Schnelltests auch auf Influenza oder RSV. Bei der Bestätigung einer Virusinfektion ist die Gabe eines Antibiotikums hinfällig – gegen Viren wirkt es nicht.

Bakterien: Sie sind mikroskopisch kleine Lebewesen und bestehen aus einer Zelle mit eigenem Stoffwechsel. Sie benötigen Nährstoffe und vermehren sich durch Zellteilung

Viren: Im Gegensatz zu Bakterien sind sie  keine Lebewesen und rund 100 Mal kleiner.  Weil sie keinen eigenen Stoffwechsel haben, benötigen sie eine Wirtszelle, um sich zu vermehren. Gegen Virusinfekte helfen keine Antibiotika

Viele Antibiotika-Therapien sind heute kürzer als früher, erläutert Willinger. Von einer Packung soll man nur so viele Tabletten bzw. Pillen nehmen, wie vom Arzt verschrieben: „Automatisch immer eine Packung aufzubrauchen, ist falsch. “

Und: "Leider Gottes gibt es immer noch die Einstellung, als wenn Antibiotika Zuckerln wären, die nimmt man einfach, wenn der Hals kratzt. Aber das ist genau der Weg, wie wir die Resistenzen befördern." Patientinnen und Patienten mit Erkältungskrankheiten würden immer wieder verlangen, ein Antibiotikum verschrieben zu bekommen, "obwohl es sich nicht um einen bakteriellen, sondern einen viralen Infekt handelt und da ein Antibiotikum nicht wirken kann."

Doch das ist in Österreich vielen nicht bewusst: "Bei einer Umfrage im EU-Raum wurde die Frage gestellt, ob Antibiotika auch bei viralen Infektionen helfen. Österreich hat in dieser Umfrage extrem schlecht abgeschnitten: Fast 50 Prozent der Befragten waren fälschlicherweise davon überzeugt, dass Antibiotika auch bei Virusinfektionen helfen."

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