Alzheimer: Wie Bluttests eine frühere Diagnose ermöglichen könnten

Hände halten ein Puzzle in Form eines Gesichts, bei dem sich einzelne Steine im Bereich des Gehirns lösen.   Alzheimer wird derzeit häufig erst spät erkannt. Bluttests könnten das ändern.and children hands holding brain with puzzle paper cutout, autism, memory loss, dementia, epilepsy and alzheimer awareness, world mental health day concept
Ein Bluttest von Roche soll helfen, frühzeitig eine Alzheimer-Erkrankung auszuschließen. Wie ein Neurologe den Test einschätzt.

Es ist ein erster Schritt Richtung einer einfacheren – und möglicherweise früheren – Diagnostik von Demenzerkrankungen: Der Schweizer Pharmakonzern Roche hat eine europäische Zulassung (CE-Kennzeichnung) für einen Bluttest zur Alzheimer-Diagnose bei Menschen mit ersten Gedächtnisstörungen erhalten. Was ist von diesem Test zu erwarten? Der Neurolge Atbin Djamshidian, Leiter der Gedächtnisambulanz der Med Uni Innsbruck, über die Zukunftsperspektiven, die solche Tests eröffnen.

Der neue, von Roche gemeinsam mit dem US-Konzern Eli Lilly entwickelte Test (Elecsys pTau181) misst die Konzentration eines speziellen Eiweißes (pTau181) im Blut. „Ist das Ergebnis komplett unauffällig, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Alzheimer-Erkrankung vor“, sagt der Neurologe Atbin Djamshidian. Er leitet an der Uni-Klinik für Neurologie der Med Uni Innsbruck u. a. die Gedächtnisambulanz. „Ist der Test hingegen hoch positiv, ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Alzheimer-Erkrankung sehr hoch.“

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Der Neurologe Atib Djamshidian leitet unter anderem die Gedächtnisambulanz an der Universitätsklinik für Neurologie der Med Uni Innsbruck.

Laut Roche ist der Test "für die Anwendung bei Patienten im Alter von 55 bis 80 Jahren mit subjektiven oder leichten objektiven Anzeichen oder Symptomen einer kognitiven Beeinträchtigung, das heißt in einem frühen Krankheitsstadium, vorgesehen".

Dass man eine Erkrankung, bei der Nervenzellen zugrunde gehen, mit einem Bluttest nachweisen kann, sei „zweifellos ein Paradigmenwechsel“ und werde eine große Erleichterung für die Diagnostik bringen, erläutert Neurologe Djamshidian. „Vor allem werden noch bessere Tests kommen, und eine Kombination von mehreren solcher Bluttests könnte einen großen Fortschritt bringen und eine frühere Diagnose erleichtern.“

Gesamtbild notwendig

Dass der Test auch bei Hausärzten eingesetzt werden könnte, um eine erste, frühe Diagnose zu stellen, wie es in einer Aussendung von Roche heißt, dazu äußert sich Djamshidian zurückhaltend: „Ein solcher Bluttest kann derzeit nur in Kombination mit anderen Untersuchungen durchgeführt werden, es braucht immer ein Gesamtbild, um zu einer verlässlichen Diagnose zu kommen. Deshalb sehe ich den Einsatz solcher Bluttests derzeit nur bei auf Demenzen spezialisierten Fachärzten.“

Derzeit erfolgt die Abklärung einer Alzheimer-Demenz in mehreren Schritten, so Djamshidian: Am Beginn stehen die klinisch-neurologische Untersuchung und eine neuropsychologische Testung (Gedächtnis, räumliche Orientierung, sprachliche Fähigkeiten etc.). Zeigen sich hier Auffälligkeiten, können mit einer MRT-Untersuchung andere Ursachen, wie etwa ein Schlaganfall oder ein Hirntumor, ausgeschlossen, werden. Auch kann man Anzeichen eines Untergangs von Nervenzellen, wie einen Abbau von Gehirnmasse, sehen.

„Um aber eindeutig Alzheimer nachweisen zu können, ist entweder eine Untersuchung des Nervenwassers, des Liquor, durch eine Rückenmarkspunktion, oder eine PET-Untersuchung (dreidimensionale Bildgebung, die auch Stoffwechselprozesse sichtbar macht, Anm.) notwendig.“

Nur mit diesen beiden aufwendigen Untersuchungen lassen sich die für Alzheimer spezifischen Veränderungen im Gehirn (Ablagerungen des Proteins Amyloid-beta und chemische Veränderungen des Proteins Tau) nachweisen.

Djamshidian: „Studiendaten haben gezeigt: Ist der Bluttest hoch positiv, dann ist zumeist auch das Ergebnis der PET- und der Hirnwasser-Untersuchung hoch positiv.“ Denkbar wäre also, dass man sich in bestimmten Fällen bei einem eindeutigen Bluttest künftig PET- und Hirnwasser-Untersuchung ersparen könnte – nicht aber die anderen genannten Diagnoseverfahren.

Großer Graubereich

Dieser Bluttest kann auch lediglich helfen, Alzheimer auszuschließen – „nicht aber andere Demenzformen oder Parkinson“. Ebenso liefert er keine Hinweise auf ganz andere Ursachen für Gedächtnisprobleme.

Deshalb reiche auch ein negativer Test alleine niemals aus: „Das würde einen in falscher Sicherheit wiegen.“ Obwohl die Zuverlässigkeit des Tests sehr hoch ist – bei knapp 94 von 100 Personen ohne Hinweis auf Alzheimer bestätigten weitere Untersuchungen das Ergebnis –, „liefert er allein eben keine 100-prozentige Sicherheit“.

Überdies fallen rund 30 Prozent der Testergebnisse „in einen Graubereich, der keine klare Aussage ermöglicht“.

Laut Djamshidian stünden weitere Bluttests vor der Zulassung, die Alzheimer nicht nur ausschließen, sondern auch direkt nachweisen können. „Zweifellos wird das die Diagnostik stark verändern.“  Bei Roche geht man davon aus, den Test Elecsys pTau181 in Österreich ab Herbst zur Verfügung stellen zu können. Für einen weiteren Test, der Alzheimer im Blut direkt anzeigen kann (Elecsys pTau217), erwartet Roche die CE-Kennzeichnung im ersten Halbjahr 2026.

Auf die Anfrage, was der Test kosten wird, antwortete Roche: "Der Preis von Produkten variiert von Land zu Land, aufgrund von Unterschieden in lokalen Vorschriften und marktspezifischen Faktoren."

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