In welchen zwei Lebensabschnitten Menschen schneller altern
Sie sind in Ihren 40er-Jahren, fühlen sich fit und machen sich noch keine Gedanken über das Älterwerden? Das sollten Sie aber: Denn offenbar schreitet Mitte der 40er-Jahre die Alterung besonders rasch voran – und das könnte nicht nur mit grundlegenden biologischen Faktoren, sondern auch mit dem Lebensstil zu tun haben. Und auch in einem zweiten Lebensabschnitt scheint die Alternsuhr rascher zu ticken.
„Natürlich verändert man sich sein ganzes Leben lang. Aber es gibt zwei große Zeiträume, in denen es besonders viele Veränderungen gibt“, sagt Michael Snyder, Genetiker an der Stanford University und einer der Autoren einer neuen Studie, in einem Interview mit der Washington Post: Der eine ist Mitte der 40er-Jahre, der andere sind die frühen 60er-Jahre. Besonders gehäuft waren die Veränderungen im Alter von 44 und 60 Jahren, so die Ergebnisse der Studie, die im Fachjournal Nature Aging erschienen ist.
Lebenserwartung
Die Lebenserwartung in Gesundheit liegt laut Statistik Austria bei nur 64,7 Jahren bei Frauen und 63,1 Jahren bei Männern ((Werte für 2019). Die gesamte Lebenserwartung ist höher: 84 Jahre bei Frauen, 79 bei Männern. Zwischen 1990 und 2021 ist die Lebenserwartung in Österreich um etwa 6,5 Jahre bei Männern und knapp 5 Jahre bei Frauen gestiegen
Lebensstil
Dass Frauen im Schnitt fünf Jahre länger leben als Männer, liegt nur zu rund 20 Prozent – einem der fünf Jahre – an genetischen Faktoren: Vier Jahre macht der gesündere Lebensstil aus
In die Studie flossen die Daten von 108 Erwachsenen im Alter von 25 bis 75 Jahren ein. Über mehrere Jahre hinweg nahmen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Abstand von drei bis sechs Monaten Abstriche von Mund, Nase und Haut sowie Blut- und Stuhlproben.
Die Forscher untersuchten viele Tausend verschiedene Moleküle (etwa Eiweißmoleküle sowie Zwischen- und Abbauprodukte von Stoffwechselvorgängen) sowie das Mikrobiom, also Bakterien, Viren und Pilze, die etwa im Darm oder auf der Haut leben.
Dabei stellten sie fest, dass sich die Häufigkeit der meisten Moleküle und Mikroben nicht kontinuierlich verändert – sondern dass es „dramatische Veränderungen“ in der Häufigkeit bestimmter Moleküle in den zwei genannten Zeiträumen gibt – einerseits, was eine Zunahme, aber auch eine Abnahme betrifft. 81 Prozent aller untersuchten biologischen Substanzen zeigten in bestimmten Zeitabschnitten solche Fluktuationen in ihrer Konzentration. „Wir verändern uns also nicht nur allmählich im Laufe der Zeit“, wird Snyder in einer Aussendung der Stanford University zitiert.
Diese Fluktuationen wirken sich wahrscheinlich auf unsere Gesundheit aus – so gab es in beiden Altersgruppen signifikante Veränderungen bei der Anzahl der Moleküle, die mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Bei den 60-Jährigen wiederum gab es deutliche Veränderungen bei den molekularen Grundlagen für die Funktion des Immunsystems.
Rascheres Altern Mitte der 40er-Jahre
Dass es in den frühen 60er-Jahren zu einer Häufung von Alterungseffekten komme, sei vielleicht nicht überraschend, sagt Snyder. Schließlich sei dies das Alter, in dem viele Krankheitsrisiken deutlich ansteigen. Überraschend war für die Forschenden hingegen die Häufung von Veränderungen Mitte der 40er-Jahre.
Zunächst gingen sie davon aus, dass die Wechseljahre der Frauen die Ursache sein könnten und dadurch die Daten der gesamten Studiengruppe verzerrt sein könnten. Doch als sie die Studiengruppe nach dem Geschlecht aufschlüsselten, stellten sie fest, dass des auch bei Männern Mitte 40 große Veränderungen gab.
Dies deute darauf hin, dass die Wechseljahre zwar zu den bei Frauen Mitte 40 beobachteten Veränderungen beitragen können. Es gebe aber wahrscheinlich noch andere, wichtigere Faktoren, die diese Veränderungen sowohl bei Männern als auch bei Frauen beeinflussen, sagt die Erstautorin der Studie, Xiaotao Shen.
Aber was bedeuten diese Ergebnisse jetzt für den persönlichen Alltag etwa eines Mitvierzigers?
„Es ist möglich, dass einige dieser Veränderungen mit Lebensstilfaktoren zusammenhängen, die in diesen Altersgruppen gehäuft auftreten, und nicht durch biologische Faktoren bedingt sind“, so Snyder.
So zeigten sich bei Menschen in ihren Vierzigern Veränderungen in der Anzahl der Moleküle, die mit dem Alkoholstoffwechsel zu tun haben – dies könnte auf einen erhöhten Alkoholkonsum in der Mitte der 40er-Jahre zurückzuführen sein.
Zusammenhänge. Der Gesundheitszustand im vierten und fünften Lebensjahrzehnt hat große Auswirkungen auf das weitere Leben: So führt eine bessere Herzgesundheit in jüngeren Jahren in den darauffolgenden 20 Jahren zu einem langsameren Rückgang geistiger Funktionen wie der Geschwindigkeit bei der Verarbeitung von Informationen oder auch Gedächtnisleistungen.
Das Journal der American Heart Association publizierte 2023 folgende Daten: Wem vor dem 45. Lebensjahr eine Erkrankung der Herzkranzgefäße diagnostiziert wurde, der hatte im weiteren Lebensverlauf ein um 36 Prozent erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Ein ganz besonderer Risikofaktor ist auch ein hoher Blutdruck im mittleren Lebensalter.
Frauen, die in ihren Vierzigern erstmals an einem zu hohen Blutdruck litten, entwickelten nach ihrem 60. Lebensjahr um bis zu 73 Prozent häufiger eine Demenz als Gleichaltrige mit durchgängig normalen Blutdruckwerten, zeigten Daten der US-Krankenversicherung Kaiser Permanente.
Aber auch wenn die genauen Ursachen für die Veränderungen auf Molekülebene noch nicht endgültig geklärt sind: Dass sich in den 40er- und 60er-Jahren so viel verändert im Körper, sei allein schon Grund genug, sich in diesen Phasen besonders auf die Gesundheit zu achten – beziehungsweise allerspätestens dann damit zu beginnen.. Sei es, sich mehr zu bewegen, um das Herz zu schützen und Muskelmasse zu erhalten, oder den Alkoholkonsum zu verringern, da in den 40ern die Fähigkeit, Alkohol zu verstoffwechseln, nachlässt.
Genetiker Snyder: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir versuchen sollten, unseren Lebensstil anzupassen, solange wir noch gesund sind.“
Kommentare