Der Hype um die Medikamente, mit denen man innerhalb eines Jahres bis zu einem Viertel seines Körpergewichts verlieren kann, hält nach wie vor an. Ihre Wirkstoffe ahmen Darmhormone nach, das Glucagon-like Peptide-1 (kurz GLP-1) bzw. neuerdings auch Glucose-dependent isulintropic Polypeptide (GIP). Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Glukosestoffwechsels und regulieren gleichzeitig den Appetit. Das Sättigungsgefühl wird erhöht – man isst weniger und nimmt so ab.
Zur Gewichtsabnahme zugelassen sind die Medikamente Saxenda vom dänischen Pharmahersteller Novo Nordisk, Mounjaro von Eli Lily sowie Wegovy, ebenfalls von Novo Nordisk, wobei letzteres in Österreich noch nicht am Markt ist. Allerdings sollten die Medikamente nur Menschen mit Übergewicht oder Adipositas verschrieben werden, das heißt ab einem Body Mass Index (BMI) von 27 kg/m², wenn Begleiterkrankungen vorliegen, oder ab einem BMI von 30 kg/m² auch ohne Begleiterkrankungen. Häufig werden die als Spritzen verabreichten Mittel jedoch als Lifestylemedikament missbraucht und die Kriterien für die Verschreibung umgangen.
Florian Kiefer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Adipositas, betont, dass die Medikamente dafür nicht zugelassen sind. „Die Abnehmmedikamente sind nicht dafür gedacht, ein paar Kilo für die Traumfigur abzunehmen, sondern sie sind verschreibungspflichtig und haben potenziell Nebenwirkungen. Erfüllt jemand die Kriterien für Adipositas oder Übergewicht mit den entsprechenden Begleiterkrankungen nicht, sollten sie auch nicht verordnet werden“, sagt Kiefer.
"Keinesfalls ohne medizinische Begleitung anwenden"
Dass auch teils bekannte Mediziner zu den Medikamenten greifen – im Bericht wird etwa der renommierte Diabetesexperte Johne Buse genannt, der seit seiner Jugend mit Gewichtsproblemen kämpfte – könne für Patienten eine Rückversicherung sein, dass die Präparate wirksam und sicher sind. Ein vergleichbares Beispiel sei die Anfangszeit von Statinen. Kardiologen gehörten zu den ersten, die die Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels in großer Zahl einnahmen, da sie am besten mit den Folgen eines hohen Cholesterinspiegels vertraut waren. Kiefer: „Hinsichtlich der Statine gibt es teils bis heute große Skepsis. Kardiologen haben jedoch schon frühzeitig ihren Benefit erkannt und sie selbst eingenommen. Die Vorbildwirkung durch Mediziner war durchaus positiv.“
In Österreich sei es jedoch noch nicht so offensichtlich, dass die Abnehmmedikamente vor allem unter Medizinern vermehrt genutzt werden. „Das ist in den USA sicherlich etwas stärker verbreitet. Generell kann man davon ausgehen, dass Ärzte, die selbst viel Erfahrung mit diesem Medikament haben, sich auch der potenziellen Risiken bewusst sind. Die Abnehmmedikamente sollten aber keinesfalls ohne medizinische Begleitung angewendet werden“, so Kiefer.
Zudem wirken sie nur dann gut, wenn sie im Rahmen einer sogenannten multimodalen Adipositastherapie verabreicht werden. Darunter fällt die Änderung von Lebensstilmaßnahmen mithilfe unterschiedlicher Disziplinen, etwa Diätologie, Physiotherapie und Psychologie.
Problematisch ist laut Adipositas-Experten Kiefer, wenn das Medikament Ozempic, ebenfalls vom Pharmahersteller Novo Nordisk, ausschließlich für Abnehmzwecke genutzt wird. Dieses ist nur zur Behandlung von Diabetes zugelassen und nicht zur Gewichtsreduktion. Da es jedoch denselben Wirkstoff wie das Abnehmmedikament Wegovy enthält und als erstes auf den Markt kam, war es bald rasch vergriffen. Bis heute kommt es – trotz inzwischen mehrerer zugelassener Abnehmmedikamente – immer wieder zu Engpässen bei Ozempic, wodurch die Versorgung von Diabetespatienten eingeschränkt sein kann.
Schönheitsideale sorgen für hohe Nachfrage bei Abnehmmedikamenten
Dass auch Menschen ohne Übergewicht gerne Zugang zu den neuen Abnehmmedikamenten hätten, kann Kiefer „grundsätzlich verstehen“. „Wir leben in einer Zeit, wo uns täglich Schönheitsideale gezeigt werden, die weit vom gesundheitlichen Ideal entfernt sind, insbesondere in den Sozialen Medien. Aber aus medizinischer Sicht kann ich das nicht gutheißen – es sind nach wie vor Medikamente, die auch potenzielle Nebenwirkungen haben, und die langfristig eingenommen werden müssen.“
Zwar sei es möglich, die Dosis zu reduzieren, wenn Patienten ihr Gewichtsziel erreicht haben, allerdings muss dies unter kontrollierten Bedingungen erfolgen. Wird das Medikament abrupt abgesetzt, kommt es zu einer neuerlichen Gewichtszunahme. „Die Chancen, das Gewicht auch ohne Medikamente halten zu können, sind höher, wenn der Lebensstil dauerhaft angepasst werden kann. Dennoch steigt das Gewicht häufig wieder nach dem Absetzen, da es sich bei Adipositas um eine chronische Erkrankung handelt“, so Kiefer.
Kosten bis zu 580 Euro pro Monat sind privat zu zahlen
Die Kosten der Abnehmmedikamente von bis zu 540 Euro pro Monat müssen in Österreich außer in Einzelfällen selbst getragen werden – auch von Medizinern, falls sie sich die Präparate selbst verordnen würden und die Verschreibungskriterien nicht erfüllen. Eine Erstattungsregelung gibt es derzeit nur für Saxenda. So übernimmt die Sozialversicherung die Kosten für das Medikament für Jugendliche mit Adipositas ab einem Alter von 12 Jahren, wenn die Therapie an spezialisierten Zentren erfolgt.
Für Erwachsene können die Kosten der Medikamente derzeit für ein Jahr erstattet werden, sofern sie sich einer bariatrischen Operation, einem chirurgischen Eingriff zur Behandlung von Adipositas, unterziehen – mit dem Ziel, über ein verringertes Gewicht die Operationsrisiken zu senken, wenn dies durch konservative Maßnahmen nicht gelungen ist.
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