Gefährdet Fifty Shades of Grey die Gesundheit?

Gefährdet Fifty Shades of Grey die Gesundheit?
Sado-Maso für alle - laut einer neuen Studie ist das für manche Frauen nicht zwingend ein prickelndes Erlebnis

Gutes Mädchen“, haucht er und berührt mit dem Daumen leicht meine Unterlippe. Er verschwindet kurz in seinem begehbaren Schrank und kehrt mit einer silbergrauen Seidenkrawatte zurück. „Halt die Hände vor dem Körper zusammen“, weist er mich an, während er mich aus dem Handtuch wickelt und es auf den Boden fallen lässt. Ich tue, was er mir sagt. Er bindet mir die Handgelenke mit der Krawatte zusammen und verknotet sie fest. Seine Augen leuchten vor Erregung, während er den Knoten überprüft. Was jetzt? Mein Herz rast."

Solche Passagen aus dem Millionenseller „Fifty Shades of Grey“ lassen Frauenherzen nach wie vor höher schlagen. Und schneller. Das rund um den Globus – immerhin wurden weltweit mehr als 100 Millionen Exemplare vom dem Sado-Maso-Thriller verkauft. Ein Phänomen. Jetzt lässt eine neue Studie aufhorchen, in der behauptet wird, dass sich die Lektüre von „Fifty Shades of Grey“ negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Demnach würden viel mehr junge Frauen so genannte ungesunde Praktiken bevorzugen, außerdem steigert das Lesen das Risiko, sich in missbräuchlichen Beziehungen zu verstricken. Veröffentlicht wurde das nun in der aktuellen Ausgabe des „Journal of Women’s Health“.

Wer es noch nicht weiß - darum geht es in dem Millionenseller: Christian Grey, smarter und cooler Geschäftsmann trifft auf die junge Studentin Anastasia Steele. Rasch entwickelt sich eine Beziehung – geprägt durch die dominante und dunkle Neigung des Herrn im grauen Anzug. Eine Liaison, in der Handschellen, Peitschen, Fesseln & Co eine tragende Rolle spielen.

Forscher der Michigan State University definieren diese Art von Beziehung als „missbräuchlich“ mit Komponenten sexueller Gewalt gegen Frauen. Die Folgen: Junge Frauen, die sich das Werk reingezogen haben, leiden etwa eher an Essstörungen und haben vermehrt Partner, die sie verbal erniedrigen. Das ist noch nicht alles: Die Fifty-Shades-Leserinnen verlieren sich auch häufiger in Trinkexzessen und wechseln öfter Partner. Studienleiterin Amy Bonomi dazu: „Das sind alles Verhaltensweisen, die mit Gewaltbeziehungen im Zusammenhang stehen.“ Auch selbstverletzendes Verhalten scheint durch das Lesen von Fifty Shades of Grey getriggert zu werden – speziell, wenn es diesbezüglich bereits einschlägige Erfahrungen in der Biografie der Frauen gegeben hat.

Untersucht wurden 650 Frauen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. Im Vergleich zu jenen Teilnehmerinnen, die das Buch nicht lasen, waren jene, die die Trilogie konsumierten, um ein Vielfaches gefährdeter, an brutalere Partner zu geraten. Jene, die alle drei Teile der Trilogie gelesen hatten, neigten eher zu Trinkexzessen und promiskuitiverem Sexualverhalten.

Studienleiterin Bonomi – Expertin für Public Health – betont, dass es ihr nicht darum gehe, dass das Buch bzw. das Lesen des Buchs verboten würde. Ihr Anliegen sei es, Bewusstsein zu schaffen – für die mit dem Werk offensichtlich häufig verknüpften sexuellen Praktiken und Verhaltensweisen. Außerdem gehe es ihr auch um eine bessere Sexualerziehung bei Jugendlichen und Kindern – speziell, was Körperbewusstsein, Selbstbild und Geschlechterrollen angehe. Zudem sei es wichtig zu vermitteln, Literatur und Medien kritisch zu konsumieren.

Hier hakt die österreichische Sexualmedizinerin Elia Bragagna ein: "Das Problem ist, dass viele junge Frauen nicht wissen, was sie sexuell wollen und brauchen. Es fehlt ein Bild - und ein Gefühl für eigene Bedürfnisse. Es fehlt der Kontakt mit sich selbst." Das führe auch dazu, dass speziell junge Frauen an Lustlosigkeit leiden. Nach wie vor werde Sexualität danach gelebt, wie "man zu sein hat", vorgefertigten Bildern und gesellschaftlichen Vorgaben folgend. Vielfach sei das dann auch mit Körperwahrnehmungsstörungen verknüpft, die schließlich zu Essstörungen führen können. So betrachtet, sei der Konnex zu den Folgen von Fifty Shades of Grey nachvollziehbar - wer seine Grenzen nicht kennt, kann sie auch nicht definieren. Bragagna: "Frauen, die kein positives Selbstbild haben und auch nicht wissen, was ihnen gut tut, neigen eher dazu, sich einem Mann zu überantworten und sind daher eher gefährdet, Beziehungen einzugehen, die ihnen nicht gut tun".

Bragagna hat die Trilogie natürlich aus "beruflichen Gründen" lesen müssen - ihr Eindruck: "Shades of Grey wirkt auf mich wie ein modernes Märchen, in dem eine Frau die Verantwortung für ihre eigene Lust und Sexualität an einen Mann delegiert. In der Hoffnung, der Prinz würde das für sie übernehmen. Die Sexualmedizinerin: "Stattdessen müssten sie lernen und erfahren, was für sie Lust bedeutet. Und das ist oft etwas anderes, als wir uns erwarten." Ein gutes Körpergefühl werde bereits in der Kindheit vermittelt - wer seinen Körper kennt, kann Grenzen setzen.

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