Gefährdet Essen Ihre Gesundheit?

Wie sicher ist unsere Nahrung? Und welchen Einfluss hat die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion auf die Gesundheit? Hochrangige Experten diskutierten in Wien
Manche Ängste sind übertrieben und Nahrungsergänzungsmittel meist sinnlos.

Wie sicher ist unsere Nahrung? Beugt Obst Krebs vor? Und brauchen wir Nahrungsergänzungsmittel? Mit diesen Fragen beschäftigte sich kürzlich eine hochkarätige Expertenrunde in der "Gesellschaft der Ärzte" im Billrothhaus in Wien.

Mediziner sind mit einer steigenden Zahl an Patienten konfrontiert, die glauben, an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu leiden. Bis zu 30 Prozent der Österreicher fühlen sich betroffen, aber nur ein Prozent leidet zum Beispiel tatsächlich an einer Zöliakie, also einer Allergie gegen Weizenprodukte, sagte Ludwig Kramer. Er ist Gastroenterologe (Magen- und Bauchheilkunde) am Krankenhaus Hietzing.

Die gute Nachricht: Unverträglichkeiten sind keine schwere Erkrankung, sondern eher eine Befindlichkeitsstörung. Trotzdem habe er bereits Patienten erlebt, die aufgrund einer Nahrungsmittelunverträglichkeit in Frühpension gehen wollten, erzählte der Arzt zum Amüsement der Zuhörer.

Den Betroffenen würden oft Antikörper-Bluttests aufgeschwatzt, doch davon hält Kramer nichts. Diese seien teuer, aber wenig aussagekräftig, bringen oft falsche Ergebnisse. Manchen besonders Gesundheitsbewussten, die unter Bauchweh leiden, rate er sogar, weniger Obst zu essen, weil sie einfach "zu viel des Guten" tun, meinte Kramer. Ohnehin habe sich die These, dass fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag Krebs vorbeugen, als falsch herausgestellt.

Soft Drinks als Problem

Der Spezialist räumte allerdings ein, dass die Industrialisierung zu einer Zunahme an Darmerkrankungen und Übergewicht geführt habe. Es stimme auch, dass der Glutengehalt moderner Weizensorten viel höher sei als früher. Für wirklich problematisch hält er aber Fruchtzucker, das könne Adipositas fördern. In den USA wird zum Beispiel massenhaft Maissirup verwendet. Ein "wesentlicher Faktor für sinnlose Energiezufuhr" seien Soft Drinks.

In Verdacht, Übergewicht auszulösen, stehen aber auch Antibiotika in Lebensmittel (Fleisch) sowie Vitamin-D-Mangel beim Menschen. Farbstoffe in Lebensmittel wiederum könnten krankheitsauslösend wirken. Gut erforscht sei das aber noch nicht. Genauso wie die Annahme, dass Chemikalien aus der Verpackung bei langer Lagerung in Lebensmittel eindringen könnten.

Wahrscheinlich ist unser Leben auch einfach viel zu hygienisch: "Der Mensch sei in der Evolution immer zahlreichen Keimen ausgesetzt gewesen", sagte Kramer. Die Keimarmut beeinträchtige den Darm ebenfalls. Die Angst der Österreicher vor gentechnisch veränderten Lebensmittel zerstreute er hingegen: Keine Studie habe eine Gesundheitsgefährdung nachgewiesen.

Auch Ingrid Kiefer, Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin gab Entwarnung, was die heimischen Lebensmittel betrifft: Von 31.333 Proben, die die AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) 2013 untersucht habe, seien lediglich 0,4 Prozent als gesundheitsschädlich eingestuft worden. Und nur ein Prozent der Proben enthalte Rückstände von Pflanzenschutzmittel über den Höchstwert.

Umweltmediziner Piero Lercher plädierte dafür, dass Konsumenten mehr auf Nachhaltigkeit und Saisonalität bei Lebensmittel achten – das erkenne man ja auch oft schon am besseren Geschmack, etwa bei Tomaten.

"Vitalstoffe" unnötig

Aber auf jeden Fall muss niemand, der "normal" isst, Nahrungsergänzungsmittel konsumieren. Davon ist er Sportmediziner Peter Schober von der Uni Graz überzeugt. Hinter diesen Mitteln stehe eine milliardenschwere Industrie, die den Bürgern einrede, sie bräuchten Energy Drinks oder "Vitalstoffe", um ihr Immunsystem aufzupäppeln bzw. Muskelaufbau zu betreiben. Schober hält solche Selbstmedikation sogar für gesundheitsschädlich.

Im harmloseren Fall werde "teurer Urin produziert", scherzte er. Sprich: Die Mittel werden ohne Wirkung wieder ausgeschieden. Kalium und Magnesium könne man locker etwa durch Nüsse oder Bananen aufnehmen. Eisen sei bei Sportlern ein Thema. Aber einen eventuellen Mangel könne man nur durch eine medizinische Untersuchung feststellen.

Wissenschaftler beschäftigen sich allerdings damit, ob Folsäure und B12 einer Demenz vorbeugen können. Extraportionen an Vitamin C hingegen werden nicht empfohlen. Alles in allem spricht Schober von einem "lukrativen Markt für wenig Wirksamkeit". Resümee der Forscher über die Frage, ob Essen krank macht: "Auf die Dosis kommt’s an."

Allergie

Bei einer Allergie kann es zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems kommen, der Organismus bildet Antikörper. Die Reaktion auf allergieauslösende Bestandteile in Lebensmitteln kann sofort oder verzögert auftreten. Selbst kleinste Mengen können schwere Folgen haben.

Unverträglichkeit

Am häufigsten aufgrund eines Enzymmangels können Nahrungsbestandteile (z. B. Laktose, Fruktose, Histamin) nicht oder nur schlecht verdaut werden. Eine Unverträglichkeit bessert sich meist schon, wenn man weniger davon isst. Es gibt keine immunologische Reaktion.

Kommentare