Fußball: Wenn die alten Wölfe zu laut heulen

Fußballverletzungen betreffen nicht nur die Profis: Gerade untrainierte Hobbyspieler erleiden oft einen Kreuzbandriss oder einen Meniskuseinriss
Übermotivierte untrainierte Männer sind besonders gefährdet, warnt der Unfallchirurg Reinhard Weinstabl.

Nur mehr maximal zwei Fußballspiele pro Tag – ab dem WM-Achtelfinale bleibt Hobbykickern wieder mehr Zeit, selbst auf den Platz zu gehen. "Aber wer jetzt ohne Training und vielleicht auch noch ohne Aufwärmen glaubt, es den Stars nachmachen zu müssen, hat große Chancen, zu mir oder einem meiner Kollegen zu kommen", warnt jetzt der Unfallchirurg Univ.-Prof. Reinhard Weinstabl von der Wiener Privatklinik.

KURIER: Wer ist von Fußballverletzungen besonders betroffen?

Reinhard Weinstabl:Aus meiner Erfahrung die 30- bis 40-jährigen Männer, die in ihrer Jugend häufig sogar Vereinsfußballer waren. Die sind zwar technisch nach wie vor sehr gut – aber konditionell oft am Boden, weil sie keine Zeit mehr zum Trainieren haben. Die wollen dann den jungen zeigen, dass sie als alte Wölfe immer noch heulen und beißen können. Aber ohne Kondition und ohne Aufwärmen steigt die Verletzungsgefahr enorm.

Welche Verletzungen sehen Sie bei Fußballern am häufigsten?

Man muss zwischen den Überlastungs- und Akutverletzungen entscheiden. Die Überlastungsschäden beginnen schon im Kindesalter, die bekannteste ist die Wachstumsfugenlösung am Schienbeinkopf, der Morbus Schlater. Hier kann man zwar die akute Entzündung zum Beispiel mit Tiefenrotlicht oder Kernspinresonanztherapie behandeln – aber ohne ausreichende Schonung wird es niemals gut werden. Dasselbe gilt für Sehnenentzündungen bei Erwachsenen, etwa der Achilles- oder Patellasehne. Die dauerhafte Entzündung reduziert die Belastbarkeit des Gewebes – wird nur Kortison gespritzt, wird damit zwar der Schmerz gedämpft, aber ohne Trainingspause kann es trotzdem zum Sehnenriss kommen.

Wie wird so ein Riss behandelt?

Sehnenrisse werden auch bei Hobbysportlern wieder zusammengenäht. Um die Heilung zu beschleunigen hat es sich extrem bewährt, am Ende der Operation sogenanntes ACP – Autologes Conditioniertes Plasma – beizumengen. Dabei handelt es sich um ein durch Zentrifugation aus dem eigenen Blut gewonnenes Konzentrat von Blutplättchen und Wachstumsfaktoren. Der Anteil an Wachstumsfaktoren ist bis zum 600-Fachen so groß wie im normalen Blut. Auch bei Muskelfaserrissen hat sich diese Therapie bewährt.

Welche Akutverletzungen sind bei Fußballern vorherrschend?

Kreuzbandriss und Meniskuseinriss. Wer eine Stop-and-go-Sportart wie Fußball ausübt, muss eine Kreuzbandoperation mit einem Sehnentransplantat durchführen lassen, welches das gerissene Kreuzband ersetzt. Nur dieses garantiert ein ausreichend stabiles Knie. Ist das Knie instabil, erhöht dies das Verletzungsrisiko – etwa für einen Meniskusriss. Wo es möglich ist, versucht man den Meniskus zu erhalten – das funktioniert aber nur im durchbluteten Teil des Meniskus und bei einer erst kurz zurückliegenden Verletzung. In den nicht durchbluteten Teilen gilt: Nur so wenig entfernen wie unbedingt notwendig.

Wird ein Meniskus heute noch zur Gänze entfernt?

Nein. Man könnte zwar danach relativ schnell wieder Sport ausüben, bekommt aber mit 100-prozentiger Sicherheit früher oder später eine massive Arthrose. Denn ohne Meniskus fehlt einfach der entscheidende Stoßdämpfer im Kniegelenk, der schützende Knorpel wird rascher abgeschert und der Knochen liegt frei.

Wenn es zu einer Gehirnerschütterung kommt: Wie lange sollte man mindestens pausieren?

Eine Gehirnerschütterung ist ein Schädel-Hirn-Trauma. Hier muss man mindestens drei Wochen pausieren, auch wenn man sich subjektiv gesund fühlt. Aber das sagt hier gar nichts aus. Das Risiko von kleinen zusätzlichen Verletzungen im Hirn ist groß. Die Folgen sind nicht abschätzbar. Es gibt Fußballspieler, die auffällig früh Parkinson entwickeln. Es ist eine Spekulation, aber hier könnten solche Hirnverletzungen eine Rolle spielen.

Fußball: Wenn die alten Wölfe zu laut heulen

Regelmäßiges Fußballspielen ist einer dänischen Untersuchung zufolge gesünder als ebenso regelmäßiges Joggen. Das gehört zu den „sehr überraschenden Resultaten“ einer dreimonatigen Testreihe, so der Sportmediziner Peter Krustrup von der Universität Kopenhagen. So hätten Hobby-Fußballer durch zwei bis drei Trainings pro Woche deutlich bessere medizinische Werte erzielt als Hobby-Jogger.

Krustrup hatte zusammen mit Experten des Sport-Instituts an der Universität Kopenhagen sowie des Reichskrankenhauses zwei Gruppen von jeweils 14 untrainierte Männern über ein Vierteljahr beim Fußballspielen und beim Dauerlauf wissenschaftlich begleitet. Am Ende hatten die Ballspieler im Durchschnitt 3,5 Kilogramm Fett ab- und 2 Kilogramm zusätzliche Muskelmasse aufgebaut. Die Jogger dagegen hatten 2 Kilogramm Fett verloren, aber keine neue Muskelmasse bekommen. Auch andere Fitnesswerte seien bei den Fußballern besser gewesen.

Der dänische Sportwissenschaftler erklärte sich die Unterschiede vor allem damit, dass die Fußballspieler „wechselweise gehen, laufen und sprinten“. Außerdem sei auch das spielerische Element von Gewicht: „Die Jogger fanden das alles sehr hart. Die Fußballer sind gefesselt vom Spiel und merken gar nicht, wie ihr Herz rast.“

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