Fünf Millionen Retortenbabys
Die Britin Louise Brown war am 25. 7.1978 die erste – seither sind weltweit rund fünf Millionen "Retortenbabys" durch Zeugung außerhalb des Körpers (IVF, In-vitro-Fertilisation) zur Welt gekommen. Diese Zahl hat die Europäische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (ESHRE) jetzt auf ihrem Jahreskongress in Istanbul bekannt gegeben.
"Anfang der 1980er-Jahre hat sich wahrscheinlich niemand vorstellen können, dass diese Zahl je erreicht wird", sagt dazu Österreichs IVF-Pionier Univ.-Prof. Wilfried Feichtinger (Wunschbaby Institut WIF). "Und in den 1970er-Jahren zweifelten viele Kollegen überhaupt daran, dass IVF jemals beim Menschen funktionieren wird." Feichtinger ist (gemeinsam mit Univ.-Doz. Peter Kemeter und Univ.-Prof. Stephan Szalay) der medizinische Vater von Österreichs erstem IVF-Baby, Zlatan Jovanovic. Der Wiener Automechaniker feiert im August seinen 30. Geburtstag.
Zwei Prozent
Laut ESHRE werden jährlich weltweit 1,5 Millionen Behandlungszyklen durchgeführt und 350.000 IVF-Babys geboren – Tendenz steigend. Zum Vergleich: In Österreich konnten im Rahmen des IVF-Fonds seit 2001 rund 17.000 Schwangerschaften herbeigeführt werden. "Rund ein bis zwei Prozent aller Geburten in Österreich sind IVF-Geburten", so Feichtinger. Der vom Bund finanzierte Fonds übernimmt 70 % der IVF-Kosten von höchstens vier Versuchen, wenn die Frau nicht älter als 40 und der Mann nicht älter als 50 ist.
"Das Überschreiten der Fünf-Millionen-Schwelle zeigt, dass die IVF heute zur Routine geworden ist", betont Feichtinger. "Den wesentlichsten Anteil daran hat meiner Meinung nach die von uns in den 80er-Jahren entwickelte Entnahme der Eizellen unter Ultraschallsicht durch die Scheide. Damit konnten wir den Frauen die Laparoskopie (,Bauchspiegelung") ersparen."
Unterdessen zeichnet sich in Österreich eine Trendwende bei den Mehrlingsgeburten ab. 2011 hat die Zahl der Einlingsschwangerschaften wieder zugenommen (von 77,6 auf 82,4 %). "Bei den Zwillingsschwangerschaften gab es einen Rückgang von 21,2, auf 17,2 Prozent, die Drillingsschwangerschaften sanken um zwei Drittel von 1,2 auf 0,4 Prozent", sagt Fabian Fußeis aus dem Büro von Gesundheitsminister Alois Stöger .
Empfehlung
Erreicht wurde dies durch eine neue Empfehlung der medizinischen Fachgesellschaften, die die Zahl der zu transferierenden Embryos herabgesetzt hat – je nach Alter und Erfolgsprognose der zu behandelnden Frau. Maximal sollen demnach drei Embryos transferiert werden. Nur IVF-Zentren, die sich an diese Empfehlungen halten, bekommen den 70-prozentigen Kostenersatz vom IVF-Fonds. Für privat gezahlte IVF-Zyklen sind diese Empfehlungen derzeit allerdings nicht verbindlich – hier können auch mehr Embryos eingepflanzt werden. Die Reproduktionsmedizin ist für ca. ein Drittel aller Mehrlinge verantwortlich – und die sind eine wesentliche Ursache für komplikationsreiche Frühgeburten.
IVF: Welche Möglichkeiten es gibt
Zwei Verfahren Bei der IVF werden die Eizellen unter Ultraschallkontrolle durch die Scheide entnommen, im Labor von den Samenzellen befruchtet und der entstehende Embryo (li.) in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt. Bei der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) wird eine Samenzelle mit einer feinen Hohlnadel direkt in die Eizelle eingebracht.
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