Frühgeburten: Österreich wie Burkina Faso?

Frühgeburten: Österreich wie Burkina Faso?
Die Rate an Frühchen ist genauso hoch wie in dem afrikanischen Land. Die Statistik ist allerdings unter Experten umstritten.

Österreich auf einer Stufe mit Schwellen- und Entwicklungsländern: Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO ("Born to soon") haben Österreich, Syrien und Burkina Faso eine gleich hohe Rate an Frühgeburten – 10,9 Frühchen pro 100 Geburten. Damit ist Österreich das europäische Industrieland mit dem größten Anteil an Frühgeborenen. Zwar sind ihre Überlebenschancen hier deutlich höher als in Burkina Faso: "Aber eine Frühgeburt ist immer problematisch, weil zum Beispiel Entwicklungsstörungen nie ausgeschlossen werden können", sagt Prim. Univ.-Prof. Barbara Maier, Leiterin der Gynäkologie im Wiener Hanuschspital.

Die Ursachen für Frühgeburten sind vielfältig: In Industrieländern vor allem ein steigendes Alter der Mütter, ein schlechter Gesundheitszustand (z. B. Diabetes, Bluthochdruck), Rauchen, aber auch Mehrlinge durch Hormonbehandlungen und künstliche Befruchtung (IVF). Laut Gesundheitsministerium lag 1990 die Frühgeburtenrate in Österreich bei acht Prozent – die Zunahme der Mehrlingsgeburten durch IVF sei ein wesentlicher Grund für den Anstieg.

"Die Reproduktionsmedizin ist für zirka ein Drittel aller Mehrlinge verantwortlich – und Mehrlinge kommen früher als Einlinge", sagt Maier. Sie leitete eine Arbeitsgruppe aus Fortpflanzungsmedizinern und Geburtshelfern. Deren Empfehlung: "Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen sollten ihm Rahmen einer künstlichen Befruchtung drei Embryonen eingesetzt werden – wenn die Frau etwa über 40 ist und schon mehrere erfolglose IVF-Versuche hinter sich hat. Der Transfer eines einzelnen Embryos sollte der Routinefall sein."

Deshalb müssten Anreize geschaffen werden, dass mehrere Einzeltransfers hintereinander durchgeführt werden, sagt Maier. Bisher erstattet der IVF-Fonds für maximal vier Zyklen 70 Prozent der Kosten. "Man sollte nicht jeden Folgezyklus mit einem aufgetauten, kryokonservierten Embryo als neuen Zyklus werten. Das würde den finanziellen Druck nehmen."

Doch alleine mit der IVF lasse sich die hohe Frühgeburtenrate in Österreich nicht erklären, sagt Maier: "Es gibt etwa auch unterschiedliche Ansätze nach einem frühzeitigen Blasensprung. Die einen warten mit einem Kaiserschnitt noch zu und lassen das Kind reifen. Die anderen sagen, das Risiko einer Infektion ist uns zu hoch und holen das Kind nach der Lungenreifung sofort." Wichtig sei jetzt eine genaue Analyse der Ursachen der Frühgeburten, der unterschiedlichen Behandlungsformen und der Ergebnisse der Spitäler.

Verzerrt?

"Österreich ist nicht so schlecht, wie es in der Studie dargestellt wird", sagt Univ.-Prof. Peter Husslein, Vorstand der Gynäkologie im Wiener AKH/MedUni Wien: "Andere Länder zählen vor der 22. Schwangerschaftswoche lebend geborene Kinder – und solche mit weniger als 500 Gramm Geburtsgewicht – nicht zu den Frühgeburten, weil diese nicht überleben. Darauf habe ich das Gesundheitsministerium mehrfach aufmerksam gemacht."

Überdies gebe es im Gegensatz zu anderen Ländern keine verbindliche Regelungen zur Begrenzung der verpflanzten Embryos: "In beiden Fällen war das Ministerium zu langsam, zu träge und zu unflexibel."

Dessen Sprecher Fabian Fusseis weist das zurück: "Bei der Statistik halten wir uns an WHO-Empfehlungen. Wenn wir neue Verträge mit IVF-Instituten abschließen, sind die Empfehlungen zur Begrenzung der verpflanzten Embryonen Teil des Vertrags." Andernfalls gebe es keinen Kostenersatz durch den IVF-Fonds. Eine Arbeitsgruppe des Obersten Sanitätsrates befasse sich mit der Thematik Kaiserschnitt und Frühgeburten. Für eine Regelung im Fortpflanzungsmedizingesetz – die auch für private IVF-Versuche gilt – sei hingegen das Justizministerium zuständig.

Frühgeburt: Wie sie definiert wird

Zeitdauer

 Alle Kinder, die vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, werden von der WHO als Frühgeburt bezeichnet. Im Durchschnitt wird weltweit jedes zehnte Kind zu früh geboren. Global gesehen sind Frühgeburten die zweithäufigste Todesursache für Säuglinge nach Lungenentzündungen.

Studie

 Weltweit die ungünstigste Quote hat das südostafrikanische Land Malawi mit 18,2 Prozent Frühgeburten, die günstigste Weißrussland mit 4,1 % (gefolgt von Ecuador/5,1 %, Lettland/5,3 %, Finnland, Kroatien und Samoa je 5,5%). Jährlich sterben 1,1 Millionen Kinder in Folge einer Frühgeburt – vor allem in Entwicklungsländern.

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