Angst vorm Altern: "Frauen fühlen sich ab den Wechseljahren unsichtbar"

Frau schaut in die Ferne.
Unattraktiv, lustlos, unsicher: Die Gesellschaft hat für älter werdende Frauen nach wie vor wenig wohlwollende Zuschreibungen übrig. Das hinterlässt Spuren, wie ein neuer Report zeigt.

Graue Haare, Fältchen, Pigmentflecken, weniger straffe Haut: Für viele Frauen sind das nicht bloß natürliche Anzeichen des Älterwerdens. Die optischen Veränderungen werden als schambehafteter Makel wahrgenommen. 

Zwar ist das Altern für viele Menschen mit Herausforderungen – physischer, aber auch psychischer Natur – verbunden. Für Frauen ist es aber mit besonderen Belastungen verknüpft, wie eine neue Studie zeigt: Knapp 70 Prozent haben demnach Angst vor dem Altern, wie der Report des Forschungsinstituts TQS im Auftrag des Nahrungsergänzungsmittelherstellers Pure Encapsulations offenlegt.

Jugendkult setzt Frauen unter Druck

Als attraktiv werde man im Alter nur wahrgenommen, wenn man ein jugendliches Aussehen bewahre, so der Tenor der Mehrheit der befragten Frauen zwischen 25 und 75 Jahren. Jede Vierte setzt hierzulande auf kosmetische und ästhetische Maßnahmen gegen Alterserscheinungen. Immerhin 20 Prozent fühlen sich von der Gesellschaft dazu gedrängt.

"Gesundes Altern ist für viele Frauen ein großes Thema, unabhängig vom Alter", erklärt Pharmazeutin Tina Werner im Rahmen der Vorstellung der Ergebnisse. Dem überwiegenden Teil sei es ein Anliegen, im Alter noch viele gesunde Lebensjahre zu verbringen. "Viele setzen auf regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Nährstoffversorgung, soziale Kontakte und mentale Fitness." Gesundes Altern bedeute aber nicht nur, körperlich und psychisch gesund zu bleiben, "sondern auch soziale Teilhabe und echte gesellschaftliche Anerkennung".

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Weg von der Fixierung auf Äußerlichkeiten 

Ideen, wie ein alternatives Konzept des Älterwerdens aussehen könnte, haben Frauen bereits. Natürliches Aussehen statt glatter, makelloser Haut, im Reinen mit sich sein, statt Schönheitsidealen nachzujagen: Viele wollen weg von der Fixierung auf Äußerlichkeiten und wünschen sich neue Narrative.

Frauen, die diese vorleben, sind in der Öffentlichkeit noch immer kaum sichtbar. In Medien, der Werbung, Popkultur und Modebranche fehlen realitätsnahe, vielseitige Bilder vom Älterwerden. Insbesondere ältere Frauen werden oft einseitig dargestellt, Altersstereotype – etwa, dass ältere Frauen nicht begehrenswert, sexuell uninteressiert, verbittert, schwach, unflexibel und unselbstständig seien – tradiert. "Es ist kein Zufall, dass Frauen beim Thema Altern zwischen Selbstoptimierung und Unsichtbarkeit pendeln", weiß Mari Lang, Autorin und Gründerin des Podcasts Frauenfragen. Auf Social Media werde Jugend romantisiert – "echte Vorbilder, die zeigen, dass Altern auch Kraft und Würde bedeutet, fehlen fast völlig", sagt sie.

Lang entlässt Frauen aber nicht aus der Pflicht: "Wir müssen dazu stehen, dass wir aussehen, wie wir eben aussehen, dass Alterungsprozesse eben sichtbar sind. Frauen fühlen sich ab den Wechseljahren, ab rund 50, unsichtbar, weil sie vom männlichen Blick nicht mehr wahrgenommen werden. Ermächtigen wir uns doch selbst und nehmen den Platz ein, der uns zusteht." Das Streben nach Selbstliebe sollte über dem Wunsch, gesellschaftlichen Vorstellungen zu entsprechen, stehen. Zudem müsse sich der gesellschaftliche Diskurs weg von einer "Debatte über Falten, die wir in Wahrheit kaum aufhalten können, hin zu den wichtigen Dingen, wie etwa weibliche Altersarmut, bewegen".

Erwartungen schüren nachhaltige Selbstzweifel 

Die Abwertung der alternden Frau ist nicht nur gesamtgesellschaftlich problematisch. Auch für die Einzelne: "Wir alle unterliegen Schönheitsnormen – sie sind Ausdruck eines Systems, das Frauen über ihr Aussehen bewertet", erklärt Barbara Schrammel, Psychotherapeutin und Vorständin beim Verein Frauen beraten Frauen. "Wir sind täglich mit Erwartungen konfrontiert, wie wir zu sein haben. Das macht Druck, das nagt am Selbstwert und kann zur Entstehung psychischer Erkrankungen beitragen", sagt Schrammel. Ein Umstand, der insbesondere bei jungen Frauen nachhaltige Selbstzweifel nähren könne.

Forschungen zeigen immer wieder: Menschen sind auch im fortgeschrittenen Alter gut in der Lage, ein hohes Maß an Zufriedenheit aufrechtzuerhalten. Dieser positive, wertschätzende Blick auf das Alter sei lohnend, sagt Schrammel. So wüssten Frauen 50 plus etwa besser, "was ihnen guttut, was sie wollen und wie sie sich abgrenzen können". Insofern sei das Alter ein "Fenster für mehr Selbstbestimmung im Leben".

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