„Fettleibigkeit darf nicht Norm sein“

Yoga-Flashmop am Heldenplatz, am 04.07.2013
48 Delegationen aus Europa suchen übergreifende Strategien gegen Übergewicht.

Jeder zweite Mann, jede dritte Frau, jeder vierte Bub und jedes fünfte Mädchen in Österreich sind übergewichtig – derzeit findet in Wien eine Ministerkonferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Ernährung und nicht übertragbaren Krankheiten statt. Immerhin zwei von drei vorzeitigen Todesfällen in europäischen WHO-Mitgliedsländern gehen auf Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes oder Krebs zurück. Für den Trend zu Übergewicht und Adipositas sind vor allem eine zu hohe Kalorienaufnahme, mangelnde körperliche Aktivitäten und zu salzige, zu fette und zu zuckerhaltige Nahrungsmittel verantwortlich.

Gesundheitsminister Alois Stöger will im Kampf gegen den Trend zum Übergewicht auf europäischer Ebene an einem Strang ziehen: „Die Zeit des gelegentlichen Äpfelverteilens haben wir in Österreich hinter uns gelassen.“ Statt einem Projekt neben dem anderen brauche es Gesamtstrategien.

„Fettleibigkeit darf nicht Norm sein“
Zsuzsanna Jakab, WHO-Direktorin für Europa, betonte: „Wir müssen viel mehr Handlungen rund um die politisch beschlossenen Maßnahmen setzen.“ Außerdem müssen die Konsumenten darin unterstützt werden mehr Eigenverantwortung zu tragen. „Wir brauchen wirksame Mittel, um Lebensmittelkennzeichnungen und -preise zu überprüfen. Die Kennzeichnungen müssen deutlich lesbar und verständlich sein.“

Kinderschutz

Ein Schwerpunkt der Konferenz ist der Schutz von Kindern. Stöger hob in diesem Zusammenhang die Schulbuffet-Initiative im Rahmen des österreichischen „Nationalen Aktionsplan Ernährung“ hervor: „Mittlerweile haben mehr als 150.000 Schüler die Möglichkeit, gesunde Schulbuffets zu besuchen.“ Eine aktuelle Studie der Stanford University zeigt, dass Vorschüler mehr zu Obst und Gemüse greifen, wenn sie erklärt bekommen, warum gesunde Nahrung wichtig für ihren Körper ist.

Jakab setzt sich vor allem gegen Marketing für süße und salzige Kinderprodukte ein. Es werde viel zu offensiv mit ungesunden Lebensmitteln für Kinder geworben, kritisiert auch Joao Breda, der bei der WHO-Europa für Ernährung, Übergewicht und Bewegung verantwortlich ist. Vor allem im Internet und in Social Media würden Kinder noch viel zu unkontrolliert mit Werbung für ungesunde Produkte konfrontiert.

Stöger ist es wichtig, dass Übergewicht nicht zur Norm wird. Die Verhinderung dessen ist auch eine der wichtigsten Fragen bei der WHO-Konferenz. Als Teil seiner Gesamtstrategie hob Stöger dabei Ernährungsinformationen für Schwangere und Kindergärten hervor („Statistisch gesehen braucht es etwa 16 Versuche, bis ein Kind etwas neues zum Essen annimmt“) oder etwa Gespräche mit der Lebensmittelindustrie über den Salzgehalt in Backwaren. Denn die Ernährung in Österreich ist vor allem zu fett, zu salzig, zu zuckerhaltig.

„Diese Konferenz wird sicher nicht der letzte Schritt sein, vielmehr ein Auftakt“, so Stöger. Am Freitag soll die „Vienna Declaration“ verabschiedet werden, in der sich alle Staaten auf gemeinsame Positionen in der Ernährungspolitik verständigen. Höchstes Ziel: Die Eindämmung chronischer Erkrankungen, die auf Übergewicht zurückzuführen sind.

Michael Moss ist Autor des Bestsellers „Salt, Sugar, Fat: How the Food Giants Hooked us“ (übersetzt: Salz, Zucker, Fett: Wie uns Nahrungsmittelriesen süchtig gemacht haben).

KURIER: Was sind die Hauptprobleme bei der Ernährung übergewichtiger Menschen?

Wenn Menschen auf einer Verpackung lesen „biologisch“ oder „fettreduziert“ glauben sie, das Produkt ist gesund und sie können so viel davon essen, wie sie wollen. Die Menschen sehen sich das Kleingedruckte nicht an. Was viele nicht wissen: Die zuckerhaltigsten Produkte werden immer auf Augenhöhe präsentiert. Ein Konsument, der das weiß, kann besser damit umgehen und den Produkten weiter oben und weiter unten mehr Beachtung schenken. Es reicht schon, ab und zu selbst zu kochen – damit steigt das Bewusstsein, was in eine Speise hineingehört und was nicht und man isst weniger Fast Food.

Ein Schwerpunkt dieser Tagung sind Kinder ...

Kinder sehen die bunten Verpackungen im Supermarkt und glauben, das muss toll sein. Die Industrie erzieht sie dazu, in allem Zucker zu erwarten. Für so jemandem ist es besonders schwierig seine Ernährung auf mehr Gemüse umzustellen. Kinder sind nicht dumm, sie wollen alles richtig machen. Sie wissen oft nur nicht, wie sehr ihnen Zucker schadet.

Wie sind Sie mit Ihren Kindern an den süßen Verlockungen im Supermarkt vorbeigekommen?

Eine Cola war bei uns nicht verboten, aber es gab sie nur zu besonderen Anlässen. Beim Einkaufen kann man Kinder toll integrieren, indem man ihnen Aufgaben gibt – etwa die Cornflakes mit dem wenigsten Zucker zu suchen. Das macht Spaß.

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