Hausübung – das tägliche Drama
Kaum etwas kann den Familienfrieden so stören wie das heiße Thema Hausübungen. Es gibt sie zwar, die braven Kinder, die sich nach der Schule an den Schreibtisch sitzen und zügig ihre Aufgaben erledigen. Doch in den meisten Familien spielen sich dazu täglich Dramen ab. Dann beginnen Eltern oft, die Hausübungen für ihre Kinder zu machen oder sie drohen mit Handyverbot.
Was läuft da schief? Erziehungsberaterin Martina Bienenstein (www.mychild.at) schmunzelt bei der Frage – sofort fallen ihr einige Situationen ein, in der gestresste Eltern sie um Rat gefragt haben. Ihre Antwort: "Man muss die Kinder in die Verantwortung entlassen. Das heißt nicht, dass sich Eltern nicht um ihre Kinder kümmern sollen, sondern sie müssen ihnen klar machen, dass Hausübungen Sache des Kindes und der Schule sind. Wenn es Hilfe braucht, dann sind Mutter oder Vater allerdings da. Das heißt aber nicht, dass sie dauernd kontrollieren sollen und Seiten aus einem Heft reißen, nur weil die nicht ,schön‘ sind." Damit sich das Lernen automatisieren kann, und zur Selbstverständlichkeit wird, sollten Eltern mit ihren Kindern darüber reden, wie sie sich die Aufgaben einteilen wollen und welche Lernstrategien für sie sinnvoll sind. Wichtig: Um den Familienfrieden nicht zu gefährden, sollte es Zeiten geben, in denen nicht über das Thema Schule gesprochen wird, etwa während des Essens. Sonst besteht die Gefahr, dass die Beziehung zum Kind dauerhaft darunter leidet", sagt Bienenstein.
Kleine Spiele
Auch Bildungspsychologin Christiane Spiel hält es für wichtig, dass Erwachsene Kindern dabei unterstützen, Selbstorganisation und selbstverantwortliches Lernen zu lernen: "Eine wichtige Kompetenz, die das ganze Leben nützlich ist. Das muss von klein auf eingeübt werden."
Die Jüngsten können mit Spielen motiviert werden – etwa, wenn Eltern mit ihren Kindern einen kleinen Wettstreit veranstalten, wer von ihnen am schnellsten ein Gedicht auswendig aufsagen oder Vokabeln kann. Auch Ratespiele lockern die Hausübung auf: Wie lange brauche ich für eine Aufgabe? Wie lange dauert es, bis ich wieder etwas vergesse? Schaffe ich es, einen Zeitplan für meine Aufgaben zu machen? Hilfreich ist es außerdem, sich Ziele zu setzen und sich anschließend mit etwas zu belohnen. Hat ein Kind dann ein Erfolgserlebnis, motiviert das."
Auf diese Weise üben Kinder selbstreguliertes Lernen und werden selbstsicher. "Diese Fertigkeiten fallen nicht vom Himmel, sondern müssen automatisiert werden, damit sie in späteren Jahren selbstverständlich sind", sagt Spiel. Doch die Realität sei eine andere: "Die meisten jungen Menschen wüssten zwar in der Theorie, wie man lernt, doch in der Praxis schaffen sie es oft nicht, wie eine Erhebung unter Studierenden gezeigt hat."
Spiels Forderung: Die Schule soll sich dafür verantwortlich fühlen, dass ihre Kinder Selbstorganisation einüben. "Eine gut geführte Ganztagsschule kann das leisten. Diese würde zum einen Buben und Mädchen aus bildungsfernen Schichten helfen, zum anderen viele Mittelstandsfamilien entlasten."
Wie sehr Hausübungen und Lernen für Schularbeiten Familien belasten kann, weiß KURIER-Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger. "In 60 Prozent aller Familien ist das ein Streitthema", schätzt sie. Die Ursachen seien sehr individuell: "Während Volksschüler meist noch Hilfe brauchen, indem ihnen eine Zeitstruktur vorgegeben wird, ist die Sache bei Pubertierenden anders: "Manchmal liegt es am Gegenstand, manchmal benötigt das Kind eine Nachhilfe, manchmal sitzt es in der falschen Schule. Auch eine Aversion gegen einen Lehrer kann eine Ursache sein. Sobald man diese kennt, kann man sie beheben."
Nur wiederholen
Den Lehrkräften kommt eine zentrale Rolle zu, damit die Hausübungen nicht zum roten Tuch werden: "Am Nachmittag sollte kein neuer Stoff trainiert werden, sondern nur das, was in der Schule erarbeitet wurde. So erfährt das Kind, was es kann, und die Eltern erhalten eine Rückmeldung, was in der Schule gerade Thema ist", so Spiel.
Die Psychologin hält allerdings nichts davon, Hausübungen zu benoten: "Lehrpersonen sollten diese als Feedback betrachten, um zu sehen, wo das Kind steht und wie sie es individuell fördern können." Ein spezielles Problem gebe es oft im Gymnasium: "Da stimmen sich Lehrkräfte zu wenig ab, so dass Schüler am Nachmittag häufig sehr belastet sind, weil sie neben Hausübungen noch andere Aufgaben haben – etwa Vorbereitung für Tests. In Summe sollte die Lernzeit nicht mehr als die Arbeitszeit Erwachsener, also 40 Stunden pro Woche, betragen."
Auch die Erziehungsberaterin Bienenstein sieht es als Aufgabe der Schule an, zu motivieren: "Kein Kind ist von sich aus faul, sondern wissbegierig und leistungswillig. Die an sie gestellten Aufgaben müssen so konstruiert sein, dass sie schaffbar sind."
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