Wie das Stadtleben die Tiere verändert
Tauben, Füchse oder Frösche: Viele Tiere haben sich längst an den Menschen gewöhnt und sind zu Stadtbewohnern geworden. Wie sich dieser "Umzug" auf die Evolution der Tiere auswirkt, haben jetzt Biologen aus den USA und Kanada untersucht und ihre Ergebnisse im renommierten Fachmagazin Science veröffentlicht.
Dass Tiere den Menschen nachfolgen, ist nichts Neues: Bereits vor 12.000 Jahren wanderten Mäuse und Ratten den Menschen hinterher, um sich von deren Lebensmitteln zu ernähren. Mittlerweile lebt mehr als die Hälfte aller Menschen in Städten, was zur Folge hat, dass die Tiere ihnen folgen – Biologen nennen diese Arten Kulturfolger.
Die Landflucht hat auch mit der modernen Landwirtschaft zu tun, wie Verhaltensforscher Kurt Kotrschal weiß. "Die Lebensräume vieler Tiere werden zerstört. Manche Arten sterben beinahe aus, andere weichen in die Stadt aus, passen sich ihr an und vermehren sich stark."
Tiere werden gezählt
Das kann Andreas Januskovecz, Leiter des Forstamts Wien, bestätigen: "Wir beobachten den Zuzug von Wildtieren in die Stadt mittels eines Monitorings, das wir gemeinsam mit der veterinärmedizinischen Uni Wien machen." Inwieweit sich die Tiere genetisch verändern, ist nicht Teil der Forschung.
Die amerikanischen Wissenschaftler haben da jetzt einiges entdeckt: Weil die Lebensräume kleinräumiger werden, indem sie z. B. durch Straßen oder Gebäude getrennt sind, gibt es keinen genetischen Austausch mehr, wie ein Beispiel aus New York zeigt: Die Populationen von Weißfußmäusen unterscheiden sich schon, wenn sie nur einen Häuserblock entfernt leben. Andere Tiere schaffen es durch Mutation, sich optimal an die Stadt anzupassen. So hat sich in den USA die Schnabelform des Hausgimpels auf die Dauer so verändert, dass sie die Sonnenblumenkerne besser knacken können, mit denen sie von Menschen gefüttert werden.
Vögel verändern aber nicht nur ihr Aussehen: Schon lange ist bekannt, dass sie anders singen als früher, wie Forscher vor Jahren entdeckt haben – Kohlmeisen pfeifen in Städten höher, schneller und kürzer als in freier Natur, um sich vom tieffrequenten Grummeln der Metropolen abzuheben. Neben Lärm sind Licht- und Luftverschmutzung sowie versiegelte Böden die größten Veränderungen in der Umwelt.
Zu viel Futter
Und natürlich das Nahrungsangebot, wie Januskovecz weiß: "Ein Beispiel ist das Wildschwein – ähnlich wie die Ratte ein hochintelligentes Tier, das zwar schlecht sieht, aber Hunderte Meter weit riechen kann. So merkt es schnell, wo es Futter gibt. In Berlin hat es sich schon so vermehrt, dass die Stadt seiner nicht mehr Herr wird. Wien hat daraus viel gelernt und sorgt dafür, dass die Populationen nicht zu groß werden."
Noch viele andere Waldtiere haben die Stadt zu ihrer Heimat gemacht: "Wir hatten im Stadtzentrum schon Fuchs- und Dachsbaue, wo wir dann die Tiere professionell eingefangen und in den Wienerwald gebracht haben. Das Hauptproblem ist falsch verstandene Tierliebe – die Menschen sehen einen Fuchs und glauben, sie müssten ihn füttern. Dabei findet er genug Nahrung." Die Stadt bietet übrigens nicht nur heimischen Tieren eine neue Heimat – in Wien wird immer häufiger der aus Asien stammende Marderhund gesichtet.
Zurück zu den Wissenschaftlern aus Amerika. Ihre Forschung soll auch dem Menschen nutzen: Wer z.B. die Entwicklung von Schädlingen wie Bettwanzen versteht, kann sie besser bekämpfen. Und Stadtplaner könnten durch Grünkorridore wie Parks dafür sorgen, dass ein besserer genetischer Austausch der Tiere möglich wird.
Hotline: Wer in Wien ein Wildtier retten möchte, ruft die Tierschutz-Helpline 01/4000-6860
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