Essen als Medizin: Gerste macht glücklich

Essen als Medizin: Gerste macht glücklich
Sachbuch-Autor Florian Überall plädiert im KURIER-Interview für ein neues Körpergefühl.

Die schöne, globale Essenswelt mag unserem Gaumen zwar ständig neue und überraschende Geschmackserlebnisse liefern – dem Gefühl für Nahrungsmittel an sich tun wir damit nichts Gutes. Davon ist der Onkologe Univ.-Prof. Florian Überall von der MedUni Innsbruck überzeugt. In seinem neuen Buch "Ess-Medizin" erklärt er, warum wir ein neues Verständnis für die Wirkung von Lebensmitteln auf unseren Körper brauchen. Und warum Ess-Medizin die Medizin des 21. Jahrhunderts wird.

Essen als Medizin: Gerste macht glücklich
Univ.-Prof. Florian Überall, Onkologie, Ess-Medizin, Ernährungsmedizin, Medizinische Universität Innsbruck, HONORARFREI!!!
KURIER: Herr Professor, was läuft falsch in unserer Ernährung?
Florian Überall:Wir verlieren den Bezug zu unserer Nahrung. Uns ist abhanden gekommen, was uns mit ihr verbindet. Das Bewusstsein ist verschwunden, dass etwas, das in unserer Umgebung wächst, meistens am besten zu uns passt. Man geht heute ins Geschäft und kauft einfach etwas. Aber man macht sich keine Gedanken darüber, ob das artgerecht für einen ist. Die Reflexion, was jeder für sich braucht und was einem gut tut, ist verloren gegangen.

Sie meinen, dass wir eine neue Ess-Kultur brauchen?
Ja. Es geht um eine Rückbesinnung auf sich selbst. Wir essen einfach zu viel. Die beste Ess-Medizin ist die Besinnung auf das richtige Maß. Essen und Trinken kann man nicht als rein gesellschaftliches Ereignis ansehen. Die Entscheidung muss man letztendlich selbst treffen. Die Verantwortung für die Gesundheit liegt in der Hand jedes Einzelnen, nicht bei Medizinern und Medikamentenforschung.

"Ich erlebe tatsächlich, dass sich meine Medizinstudenten über Blähungen wundern, wenn sie drei Äpfel gegessen haben."

Wie soll diese Rückbesinnung gelingen?
Zum Beispiel, indem man sich zuerst einmal fragt: Was vertrage ich? Was tut mir gut? Viele belanglose, altbekannte Symptome werden heute vernachlässigt und gar nicht mehr wahrgenommen. Ich erlebe tatsächlich, dass sich Patienten oder sogar meine Medizinstudenten über Blähungen wundern, wenn sie drei Äpfel gegessen haben. Es darf nicht sein, dass einem das nicht auffällt. Man muss sich und seinen Körper wieder besser kennenlernen.

Wollen Sie Ihre Patienten also zu mehr Verantwortungsbewusstsein anregen?
Mir ist eine verantwortungsbewusste Veränderung sehr wichtig. Wer soll mir denn überhaupt einen Rat geben, wenn ich selbst kein Empfinden und keine Wahrnehmung für meinen Körper mehr habe? Es geht um eine Ernährung, die einen gesund erhält und darüber hinaus auch befriedigt. Denn wer sich falsch ernährt, wird unzufrieden oder sogar aggressiv. Auch das Verständnis, was die Ernährung biochemisch mit uns macht, ist wichtig.

"Damit es uns gut geht, braucht es Serotonin. Ich rate daher, regelmäßig tryptophanhältige Lebensmittel wie Gerste zu essen."

Über welche biochemischen Vorgänge müssten wir am ehesten Bescheid wissen?
Im Körper finden zahlreiche biochemische Abläufe statt. Damit es uns gut geht, braucht er Serotonin. Das kann man nicht essen, es muss aus der zugeführten Ernährung gebildet werden. Voraussetzung dafür ist wiederum die Aminosäure Tryptophan. Ich rate daher unter anderem, regelmäßig tryptophanhältige Lebensmittel wie die bei uns heimische Gerste zu sich zu nehmen.
Ein anderes Beispiel betrifft das Wissen um die Arbeit des Magens. Bei zu vielem Essen kann sich der Magen nicht mehr ausreichend dehnen und die Nahrung nicht weiter transportieren. Funktioniert aber das Zusammenspiel von Dehnung und der Produktion von Magensäure nicht optimal, können viele biochemische Prozesse nicht richtig ablaufen.

Essen als Medizin: Gerste macht glücklich
buch Essmedizin, honorarfrei
Worauf sollten wir in der Ernährung wieder mehr achten?
Wir sollten wieder mehr Bitterstoffe essen, die in unserer Zuckergesellschaft vielfach herausgezüchtet wurden. Bitterstoffe sind die beste Medizin zur Förderung des Leberstoffwechsels. In der europäischen Küche kommen herbe und bittere Stoffe oft vor, etwa Rucola, Chicoree, Artischocken oder Galgant. Aber heute verwenden wir sie bestenfalls als Garnitur.

Buchtipp: Florian und Andrea Überall: "Ess-Medizin", Verlag Nymphenburger, 20,6 Euro

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