Es gibt keine Diät für alle

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Kalorien zählen und Glyx-Index führen oft nicht zum Ziel – was wirklich zählt.

Die einen essen Kohlsuppe, die anderen zählen Kalorien und alle zusammen wundern sich, warum sie nicht genug abnehmen oder so schnell wieder zunehmen. Zu den viel gepriesenen Ernährungsformen gehört auch die Glyx-Diät, die dieser Tage wieder herbe Rückschläge in Kauf nehmen muss.

Der Glykämische Index (GI) gibt die Auswirkung von Lebensmitteln auf den Blutzuckerspiegel an und soll etwa Übergewichtigen und Diabetikern bei der Ernährung Orientierung geben. Nach einem Ampel-System sind Weißbrot, Kartoffeln und verarbeitetes Obst (z.B. aus der Konserve) im Glykämischen Index rot markiert und sollten gemieden werden. Stattdessen sollen Ernährungsbewusste öfter zu grün gekennzeichneten Produkten mit einem niedrigen GI wie Vollkornbrot, Gemüse und Fleisch oder Fisch greifen. Nicht ganz neu, aber das Ampel-System fand bei vielen großen Anklang.

Individueller Zuckerspiegel

Eine große israelische Studie mit 800 Teilnehmern stellt nun das gesamte Konzept infrage. Demnach ist der Index gar nicht auf alle gleich anwendbar. Bei manchen Teilnehmern sei der Blutzuckerspiegel nach dem Verzehr von Sushi stärker gestiegen als bei Eis, bei anderen war es umgekehrt, schreiben die Forscher um Eran Segal und Eran Elinav vom Weizmann Institute of Science im Fachjournal Cell und erreichen damit große Aufmerksamkeit.

Haben Übergewichtige die ganze Zeit einfach nur die falschen Ratschläge bekommen, wie es die Forscher anmerken? Einen Grund dafür, warum der Blutzuckerspiegel bei derselben Mahlzeit so unterschiedlich reagiert, sehen sie in der Zusammensetzung der Darmbakterien und sehen die Zukunft der Ernährungsberatung in der personalisierten Diät. Immerhin geht der Trend auch in der Medizin immer mehr in Richtung Personalisierung, etwa bei der Behandlung von Krebs.

"Hat mit Realität wenig zu tun"

"Der Glykämische Index kann Orientierung liefern, hat mit der Realität aber wenig zu tun", sagt dazu Priv.-Doz. Karin Schindler, Stoffwechsel-Expertin an der MedUni Wien. "Wir nehmen nie einzelne Lebensmittel zu uns, sondern immer eine Kombination. Es macht schon einen großen Unterschied auf den Blutzuckerspiegel, ob man einfach nur ein leeres Baguette isst oder ob man es mit Butter zu sich nimmt. Fett verzögert die Aufnahme ins Blut."

Erwiesen ist außerdem, dass die Darmflora eine große Rolle spielt. So hat man begonnen, Übergewichtige mit Stuhltransplantationen zu behandeln – die Bakterienkultur soll helfen, die Nahrung besser zu verdauen. "Allerdings hängt die Darmflora auch davon ab, was ich esse."

Ein personalisierter Ernährungsplan sollte laut Schindler ohnehin die Grundlage jeder professionellen Beratung sein. Dazu gehört nicht nur, sich die bisherigen Ernährungsgewohnheiten anzusehen, sondern auch den Lebens- und den Berufsalltag und mögliche Knackpunkte, auf die der Berater eingehen sollte.

Genetische Einflüsse

Wie wichtig die Berücksichtigung des Ernährungsverhaltens ist, zeigt das EU-weite Forschungsprojekt Food4me. Es untersucht die Beziehung zwischen genetischer Veranlagung und Ernährung. Im Rahmen der Studie mussten die Teilnehmer über ein Online-Tool ihre Ernährungsgewohnheiten angeben – dann hat ein Algorithmus einen Ernährungsplan erstellt, der auf die persönlichen Vorlieben abgestimmt war. Das Ergebnis der Studie hat die Forscher um John Mathers von der Newcastle University selbst überrascht – die Empfehlungen des Online-Tools haben sich positiver auf die Studienteilnehmer ausgewirkt als Empfehlungen auf Basis der Gen-Tests. Schindler dazu: "Es ist nicht sinnvoll, Dinge vorzuschlagen, die man nicht gerne isst." Das ist wohl der Grund, warum die meisten Diäten nicht funktionieren.

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