Epidemie: Die Wiederkehr der Masern

In Europa breitet sich diese hochinfektiöse Krankheit wieder stark aus. Österreich hatte bis jetzt Glück, sagen Experten.

Es ist eine ordentliche Epidemie", sagt die Virrologin Univ.-Prof. Heidemarie Holzmann von der MedUni Wien. Mehr als 30.000 Masernfälle wurden heuer europaweit bereits gemeldet - mit 1260 Lungen-, und 24 Gehirnentzündungen, von den acht tödlich verliefen. In Österreich gab es heuer bisher rund 100 Erkrankungen - doppelt so viele wie 2010. "Wir hatten Glück, dass wir noch keinen größeren Ausbruch hatten." Zuletzt gab es einen solchen 2008 in Salzburg.

Für Aufsehen sorgt in Deutschland im Oktober der Tod von Natalie, 13: Sie hatte sich 1999 als Säugling im Wartezimmer eines Kinderarztes angesteckt (die Impfung ist erst im zweiten Lebensjahr möglich). "Infektionsquelle war ein elfjähriger Bub, dessen Eltern die Masernimpfung ablehnten und der das hochinfektiöse Virus in diesem Warteraum auf sechs weitere Kinder übertrug", erzählt Holzmann - darunter drei Säuglinge.

Im Alter von neun Jahren wurde bei Natalie eine chronische Maserngehirnentzündung (SSPE) diagnostiziert - eine Spätfolge der Erkrankung, die die Nervenzellen schädigt und fast immer tödlich verläuft.

Um eine Masernepidemie zu verhindern, müssen mehr als 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein - ein Wert, den Österreich nicht erreicht. Bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr haben nur rund 70 Prozent der Kinder die empfohlenen zwei Impfungen erhalten. Darüber hinaus gibt es Impflücken bei den 15- bis 45-Jährigen, die als Kleinkinder noch nicht zwei Mal gegen Masern geimpft wurden (Jahrgänge 1977 bis 1994) bzw. einen nur kurz wirksamen Impfstoff (Jahrgänge 1966 bis 1976) erhielten. Um diese Impflücken zu schließen, stellt das Gesundheitsministerium allen bis 45-Jährigen den Impfstoff gratis zur Verfügung. Bei den Älteren geht man von einer natürlichen Immunität aus.

Immunsystem-Training

"Eine Masern-Impfung hat noch nie eine so furchtbare Komplikation wie eine chronische Gehirnentzündung ausgelöst", sagt Holzmann: "Bleibende Schäden durch die Impfung sind nicht bekannt." Impfgegner argumentieren, dass eine Infektion ein Training für das Immunsystem sei. Holzmann: "Das ist die Impfung genauso. Nur handelt es sich um ein abgeschwächtes Virus, das lediglich vorübergehend leichtes Fieber und leichten Ausschlag auslösen kann."

"Eltern haben eine Verpflichtung, das Kindeswohl im Auge zu behalten", betont Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethik-Kommission: "Mögliche Nebenwirkungen der Impfung sind im Vergleich zu den Komplikationen, die durch eine Maserninfektion passieren können, wesentlich geringer." Eine hohe Durchimpfungsrate sei auch deshalb notwendig, "damit auch die geschützt sind, die nicht geimpft werden können - etwa Kinder mit bestimmten Erkrankungen. Der Gedanke, dass solche Kinder etwa in einer Ordination angesteckt werden, ist entsetzlich."

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