Eine Zeckenimpfung der Zukunft

ARCHIV - Eine weibliche Reliktzecke (Haemaphysalis concinna) krabbelt am Donnerstag (01.07.2010) auf dem Arm eines Mitarbeiters im regionalen Institut für durch Zecken übertragbare Krankheiten e.V. im brandenburgischen Brieskow-Finkenheerd (Oder-Spree). Süddeutschland bleibt Zecken-Risikogebiet Nummer eins. Von den mehr als 400 FSME-Fällen im Jahr 2011 traten über 85 Prozent in Süddeutschland auf. Mehr als 200 Fälle von Hirnhautentzündung wurden dabei im Südwesten registriert. Foto: Patrick Pleul dpa/lsw (Zu dpa-Gespräch: «Expertin: Süddeutschland bleibt Zecken-Risikogebiet» vom 18.03.2012) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Eine Studie weist nach, dass die Entwicklung aus Österreich Schutz vor Infektion bieten könnte.

Es ist eine Entwicklung aus dem Forschungszentrum der US-Firma Baxter in Orth an der Donau, NÖ: Die Pharmafirma hat einen großen Zwischenerfolg auf dem Weg zu einem Impfstoff gegen die Borreliose – die häufigste von Zecken übertragene Krankheit – erzielt. Im Top-Journal Lancet Infectious Diseases wurde eine Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffes veröffentlicht, an der auch die MedUni Wien (ein Team unter der Leitung von Marcus Müller und Herwig Kollaritsch) beteiligt war:

300 Studienteilnehmer wurden bisher geimpft. Alle hatten danach einen „sehr hohe Antikörper-Konzentration (Titer, Anm.) im Blut“, sagt Noel Barrett, globaler Leiter der Impfstoffforschung und -entwicklung bei Baxter. „Das zeigt, dass der Impfstoff tatsächlich einen effektiven Schutz bieten könnte“, so Kollaritsch.

Es kam zu keinen schweren Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Impfung.

Die derzeit erhältliche sogenannte „Zeckenschutzimpfung“ schützt nur vor der FSME (Frühsommer-Meningo-Enzephalitis) – Erreger ist das FMSE-Virus. Gegen die Borrelien – Bakterien – gibt es noch keine Impfung. Etwa jede fünfte Zecke in Österreich trägt diese Erreger.

Zwar war in den USA vorübergehend ein (mittlerweile vom Markt genommener) Impfstoff erhältlich: Dieser schützte aber nur vor einem Borrelien-Stamm (Typ 1). In Europa sind hingegen fünf andere Stämme (Typ 2 bis 6) vorherrschend.

Der neue Impfstoff besteht aus gentechnisch hergestellten Eiweißmolekülen von den Oberflächen aller sechs Borrelien-Stämme – und wäre damit weltweit einsetzbar. Diese lösen eine Reaktion des Immunsystems aus, Antikörper (Abwehrstoffe) werden gebildet. Barrett: „Wird man von einer Zecke befallen, töten die Antikörper die Borrelien in den Zecken.“ Zeit ist dafür genug: Es dauert 24 bis 48 Stunden, ehe die Bakterien aus dem Darm der Zecke auf den Menschen übertragen werden.

Unerkannt

Wird eine Borreliose rechtzeitig erkannt, kann sie in 90 Prozent der Fälle sehr gut mit Antibiotika behandelt werden. „Das Problem sind jene Infektionen, die lange unerkannt bleiben“, sagt Barrett. „Dann können sich im Spätstadium chronische Erkrankungen der Gelenke, des Nervensystems und des Herzens entwickeln.“

In den kommenden ein bis zwei Jahren werden noch weitere Studien zur Verträglichkeit und Wirksamkeit durchgeführt – wie lange etwa die hohe Antikörperkonzentration anhält. Dann soll die Zulassungsstudie starten: 11.000 Menschen werden daran teilnehmen – eine Hälfte bekommt den Impfstoff, die andere ein Placebo (wirkungsloser Scheinimpfstoff, Anm.). Nur wenn sich in der geimpften Gruppe deutlich weniger Menschen mit Borreliose infizieren, wird der Impfstoff zugelassen. Auch wenn Baxter weltweit führend ist, dämpft Barrett Hoffnungen auf eine rasche Zulassung: „Davon sind wir mindestens noch fünf Jahre entfernt.“

Eine Zeckenimpfung der Zukunft

Für Hunde gibt es seit mehreren Jahren Impfstoffe, die sie vor Borreliose schützen“, sagt Thomas Voracek aus der Tierärztlichen Ordination Tiergarten Schönbrunn. Was für Menschen jetzt aktuell wird, ist für Vierbeiner schon länger gut getestet auf dem Markt: Das neueste Serum für Haustiere wurde speziell auf die heimischen Zecken mit ihren unterschiedlichen Borreliose-Stämmen zugeschnitten. Drei Grundimmunisierungen sind notwendig, damit die Bakterien keine gesundheitlichen Schäden anrichten, dann muss jährlich ein Mal aufgefrischt werden. Nicht alle Veterinärmediziner halten die Schutzimpfung für sinnvoll.

Unempfindlich

Zeckenbefall ist bei Hunden ein großes Thema. Eine Studie der VetmedUni Wien mit 90 Vierbeinern stellte in einem Jahr bei jedem zweiten Heimtier eine von Zecken übertragene Infektion fest. „Hunde infizieren sich dauernd mit Borrelien. Aber kein Hund wird wirklich krank“, sagt Michael Leschnik von der Kleintierklinik/Interne Medizin: „Das Immunsystem der Hunde ist da sehr unempfindlich.“ Freigänger-Katzen reagieren in keiner Weise auf die Erreger, die Menschen krank machen können.

„Wir empfehlen die Impfung v. a. Risikopatienten – Jagdhunden oder Hunden, die oft in einem Zeckengebiet spazieren gehen“, sagt Voracek. Einig sind die Experten: Für Hunde ist der Schutz vor Zeckenbefall z. B. mit Spot-on-Präparaten, Halsbändern und Sprays wichtiger als die Borreliose-Schutzimpfung.

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